Ein kurzer Clip im Klassenzimmer und plötzlich greift der Staat ein. In England genügte eine Unterrichtsstunde in politischer Bildung, um einen Lehrer ins Visier der Behörden zu rücken. Was als offene Debatte zwischen Jugendlichen begann, endete mit Verhaftung und Entlassung. Von London bis Berlin, von Paris bis Stockholm geraten Meinungsfreiheit, Unterricht und politische Debatte unter Druck. Das neue Buch von Gloria von Thurn und Taxes: Lieber unerhört als ungehört. Lektionen aus meinem Leben, legt offen, wie diese Verschiebung quer durch Europa verläuft. Erfahren Sie mehr.
Der Fall spielt sich am Henley College in Henley-on-Thames ab, in der Grafschaft Oxfordshire – jener Region, in der auch die berühmte University of Oxford liegt, ein Symbol für akademische Freiheit und geistige Offenheit. Ausgerechnet hier geriet ein Politik-Lehrer (Name nicht genannt) Mitte 50 wegen seines Unterrichts in die Mühlen der staatlichen Sicherheit.
Der Pädagoge zeigte seinen Schülern Videos von Donald Trump, eingebettet in eine Unterrichtseinheit zu US-Politik. Darauf sollten die Jugendlichen eine Debatte führen. Nach anonymen Beschwerden wurde der Vorgang an Behörden weitergeleitet. In der Folge wurde der Lehrer verhaftet und befragt. Wann genau diese Festnahme erfolgte, wo sie stattfand und unter welchen Umständen, dazu äußerten sich Polizei und Schule nicht.
Erst vor wenigen Tagen folgte die endgültige Konsequenz: Der Lehrer verlor seinen Job. Sein Name wurde nicht veröffentlicht, Details zu den Vorwürfen bleiben vage. Konkrete Anschuldigungen wie Gewaltaufrufe oder extremistische Inhalte wurden öffentlich nicht benannt. Selbst das gezeigte Video bleibt unbekannt.
Unter dem Radar des Staates
Besonders brisant ist der Weg, den der Fall nahm. Er landete beim staatlichen „Prevent“-Programm, einem zentralen Baustein der britischen Anti-Terror-Strategie. Prevent soll frühzeitig Personen identifizieren, die für Radikalisierung anfällig sein könnten. Schulen, Polizei und Sozialdienste arbeiten dabei zusammen. Offiziell handelt es sich nicht um ein Strafverfahren, sondern um eine präventive Maßnahme. Kritiker sehen darin jedoch seit Jahren ein Instrument, das immer tiefer in den Bereich legitimer Meinungsäußerung vordringt.
Der Lehrer selbst beschreibt den Umgang mit ihm als verstörend. Man habe ihn, so seine Worte, „wie einen Terroristen behandelt“. Die gesamte Situation war
„dystopisch – wie aus einem Roman von George Orwell“.
Diese Debatte gewinnt an Schärfe durch den größeren Kontext. Großbritannien gilt seit Jahren als eines der europäischen Länder mit den meisten polizeilichen Ermittlungen und Festnahmen wegen Online-Äußerungsdelikten. Was als Schutz vor Extremismus begann, wird zunehmend als Kontrolle von Meinung und Sprache empfunden.
Gloria von Thurn und Taxes zeigt in ihrem neuen Buch Lieber unerhört als ungehört. Lektionen aus meinem Leben, wie Meinungsfreiheit nicht abrupt abgeschafft wird, sondern leise erodiert. So geht es nicht mehr weiter. Erfahren Sie mehr.





