In Thüringen haben sich Vertreter von BSW und AfD in Thüringen getroffen. Was bedeutet das für die dortigen Brombeer-Koalition und worum ging es? Lesen Sie unbedingt hierzu „Die rote Diva“, eine bemerkenswerte Biografie, erhältlich im COMPACT-Shop. Hier mehr erfahren.
In Thüringen ist eine politische Bombe gezündet worden. Der Thüringer BSW-Fraktionschef Frank Augsten und Björn Höcke, Vorsitzender der Thüringer AfD, sind zu einem Gedankenaustausch zusammengekommen. Das Gespräch thematisierte in erster Linie die Blockade zweier Landtagsausschüsse zur Wahl von Richtern und Staatsanwälten. Die wird derzeit von der AfD betrieben, um auf diese Weise auf diverse Benachteiligungen und Schikanen, denen die Blauen ausgesetzt sind, zu reagieren.
Wagenknecht für Wandel
Allerdings ist hier nicht der Inhalt des Treffens von Bedeutung, sondern die Tatsache, dass es stattgefunden hat. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht selbst hatte im Vorfeld einen grundlegenden Wandel im Umgang mit der AfD gefordert und die bisherige Ausgrenzungspolitik infrage gestellt. Es ist mit Händen zu greifen: Etablierten Medien und Politikern bleibt die Spucke weg! Sie befinden sich in einer Schockstarre, versuchen nach Kräften, das Treffen am liebsten ganz zu ignorieren.
Björn Höcke im Anschluss gegenüber Pressevertretern: „Wir haben ein intensives zweistündiges Gespräch geführt und konstruktiv die Lage des Freistaates Thüringen besprochen.“ Man werde in der Sommerpause intensiv über Lösungen nachdenken. Frank Augsten vom BSW äußerte sich ähnlich, Höcke und er hätten „konstruktiv und offen über unsere unterschiedlichen Sichtweisen, Probleme und Perspektiven der aktuellen Landespolitik gesprochen“.
„Undemokratische Dummheit“
In einer bemerkenswerten Kehrtwende war Wagenknecht zuvor für das Zustandekommen dieses Gesprächs in die Bresche gesprungen und hatte sogar wechselnde Mehrheiten im Thüringer Landtag in Betracht gezogen. Wagenknecht wörtlich:
„Die Brandmauer ist eine undemokratische Dummheit, die nur der AfD hilft.“
Diese Aussage und das Treffen markieren Wendepunkte für das BSW, das sich bisher klar von Formen der Zusammenarbeit mit der AfD distanziert hatte. Nun scheint Wagenknecht entschlossen, die politische Landschaft in Osten der Republik aufzumischen.
Denn: Ihre Anregungen sind geeignet, die fragile Brombeer-Koalition aus CDU, SPD und BSW in Thüringen, die auf die strikte Ausgrenzung der AfD setzt, in eine Zerreißprobe zu führen. Der jetzige Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, da das BSW nach der enttäuschenden Bundestagswahl im Februar 2025, bei der die Partei mit knapp unter fünf Prozent den Einzug ins Parlament verpasste, um mediale Relevanz kämpft.
Wagenknecht vermittelt denn auch eine klare Botschaft: Das BSW solle nicht länger als Teil profilloser Koalitionen wahrgenommen werden, die nur darauf abzielen, die AfD zu verhindern. „Wir stehen nicht als Teil einer profillosen Allparteienkoalition zur Verfügung, deren einziger gemeinsamer Nenner ist, gegen die AfD zu sein“, betonte sie jetzt.
Stattdessen will sie das BSW als eigenständige Kraft etablieren, die für „Vernunft und Gerechtigkeit“ steht – und dafür auch bereit ist, mit der AfD zu reden. Dies ist ein klarer Affront gegen die BSW-Koalitionspartner und auch gegen Teile ihrer eigenen Leute in Thüringen. Wagenknecht:
„Die AfD hat in Thüringen mehr als 30 Prozent erreicht. Zu sagen, wir reden nicht mit denen, ist eine Ohrfeige für die Wählerinnen und Wähler.“
Björn Höcke zeigte sich erfreut über Wagenknechts Haltung: „Die Äußerungen Wagenknechts sind sehr erfreulich und fair gegenüber der AfD“, erklärte er gegenüber MDR Thüringen, kritisierte jedoch, dass sie spät kämen.
SPD jammert
Die Koalition aus CDU, SPD und BSW verfügt lediglich über 44 der 88 Landtagssitze und ist auf die Tolerierung durch die Linke angewiesen. Der Koalitionsvertrag betont explizit, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben dürfe – ein Grundsatz, den Wagenknechts neue Linie direkt infrage stellt. SPD-Landeschef Georg Maier warf Wagenknecht vor, einen Keil in die Koalition zu treiben, während die CDU zurückhaltend reagierte und eher lapidar betonte, dass der Koalitionsvertrag weiterhin gelte.
Wagenknechts Haltung ist auch ein strategischer Schachzug, um das BSW im Vorfeld der Landtagswahlen 2026, insbesondere in Sachsen-Anhalt, zu positionieren. Sie rät der CDU dort sogar offen zu einer Koalition mit der AfD: „Es liegt in der Verantwortung der CDU, die AfD seriös einzubinden.“
Wolf kleinlaut
Gleichzeitig schließt sie eine BSW-AfD-Koalition in Sachsen-Anhalt aus, um nicht als Juniorpartner der AfD wahrgenommen zu werden. Dennoch ist ihre Botschaft klar: Die bisherige Ausgrenzungspolitik habe die AfD gestärkt, und ein anderer Umgang ist notwendig, um den Wählerwillen zu respektieren. Wagenknecht:
„Wenn es so weitergeht, wird es irgendwann AfD-Alleinregierungen im Osten geben, weil sie gar niemanden mehr für eine Koalition brauchen.“
Der Dauerstreit der BSW-Vorsitzenden mit der Thüringer Landeschefin Katja Wolf, die die Koalitionsbeteiligung gegen den Willen der Parteigründerin durchgesetzt hatte, ist allerdings noch nicht beigelegt. Wolf gab sich jetzt eher kleinlaut und betonte nach einem Treffen mit Wagenknecht, dass man Vertrauen zurückgewinnen wolle.
Wie tickt Sahra Wagenknecht wirklich? Lesen Sie hierzu unbedingt „Die rote Diva“, eine bemerkenswerte Biografie, erhältlich im COMPACT-Shop. Hier mehr erfahren.