Ein Zeitungsverbot in der Endphase der DDR. Mit dem Verbot des populären sowjetischen Magazins Sputnik läutete der SED-Staat im Jahre 1988 sein eigenes Sterbensglöckchen. Ähnlichkeiten zu heute sind natürlich rein zufällig. Solidarisieren Sie sich jetzt noch mit COMPACT und sichern Sie sich unser Sturmfeuerzeug. Hier mehr erfahren.
_von Armin-Paul Hampel
Rumms – die staatliche Maßnahme der ZK-Oberen knallte am 19. November 1988 in den DDR-Himmel, „wie ein Stern in einer Sommernacht“. Doch im Gegensatz zu dem schmusigen Liedtext des DDR-Barden Frank Schöbel bewegte Erich Honeckers Druckverbot für das beliebte Sowjetmagazin Sputnik nicht die Herzen, sondern erhitzte eher die Gemüter der systemmüden Zonenbürger.
Nancy Faeser hätte wahrscheinlich ihre helle Freude daran gehabt, wie einfach es für die greisen Genossen war, ein missliebiges Magazin kaltzustellen. Schwärmten beim COMPACT-Verbot im Juli vergangenen Jahres noch gut einhundert vermummte Bundesgreifer durch Falkensee, Magdeburg, Gießen und andere schöne deutsche Orte, reichte den DDR-Oberen schlicht eine Streichung des ungeliebten „Schmökers vom großen Bruder“ auf der Postzeitungsliste.
200.000 Auflage allein in der DDR
Ich selbst hatte das Magazin Ende der 1960er Jahre zum ersten Mal in der Hand. Mein älterer Bruder, der damals schon mit einem roten Poloshirt in die Schule ging, hatte es wohl einige Male an einem Kiosk erstanden. Ich hielt es anfangs irrtümlich für eine Ausgabe von Reader’s Digest, da Sputnik in Format, Schrift und Aufmachung der damals beliebten Ami-Lektüre wohl mit Absicht ähnlich war.
Die Geschichten im Russenprint aber waren völlig andere. Wer Sputnik las, wurde nicht mit den stets sieg- und glorreichen Errungenschaften des Sowjetsystems gelangweilt, sondern bekam einen Einblick in Geschichte und Alltag der UdSSR, die Schönheit des großen Landes, seiner Literaten und Künstler, seiner Sportler und Wissenschaften. Ähnlich wie heute gelegentlich in COMPACT, bekam man damals einen Blick auf das Riesenreich im Osten, der einem sonst von keinem westlichen Medium vermittelt wurde.
Im Herbst 1988 aber war Schluss mit den informativen Grüßen vom großen Bruder. Michail Gorbatschows Idee von Glasnost und Perestroika, die in dem beliebten Magazin begeistert begleitet wurde, hatte die Ostberliner Betonriege völlig aus der Bahn geschmissen.
In den Auflagen jener Tage (allein in der DDR 200.000 verkaufte Exemplare!) las man überraschend Kritisches über den real existierenden Sozialismus der Sowjetunion, wie heute in COMPACT über den angestrebten Realsozialismus Herrschender. Unerhörtes über Stalin, den Zweiten Weltkrieg und seine Vorgeschichte ähnelten in ihrem faktenorientierten Anspruch den heutigen Geschichtsbeiträgen in unserem Magazin.
Man behandelte zum Beispiel erstmals das geheime Zusatzabkommen zum Hitler-Stalin-Pakt, das die Annexion Polens und der baltischen Staaten einläutete und dessen Existenz in Ostberlin weiterhin hartnäckig geleugnet wurde.
Historisch unerwünschte Töne
Wir ahnen, dass das Interview von COMPACT mit der Sprecherin des russischen Außenministeriums bei BRD-Verantwortlichen ähnliche Gefühle ausgelöst haben muss wie der damalige Sputnik-Beitrag des Essayisten Julian Semjonow. Der sprach den deutschen Kommunisten der dreißiger Jahre (und damit auch Honecker und Mielke) eine Mitschuld am Aufstieg Hitlers zu, weil diese Stalins „Sozialfaschismus-Theorie“ gefolgt seien und ein Bündnis mit der SPD abgelehnt hätten.
Der Schriftsteller: „Hätten sie es getan, so wäre es Hitler nicht gelungen, die Reichstagswahlen (1932/33) zu gewinnen.“ Spätestens an diesem Punkt gingen die Greisengranden des ZK durch die Decke.
Ohne den zuständigen Minister für das Post- und Fernmeldewesen der DDR, Rudolf Schulze (Block-CDU), zu informieren, diktierten Erich & Erich die Pressemeldung für die DDR-Nachrichtenagentur ADN: „…ist die Zeitschrift Sputnik mit sofortiger Wirkung aus der Postzeitungsliste für die DDR gestrichen“ worden. Das wars! Die Novemberausgabe wurde eingestampft, Restposten in Kiosken und Zeitschriftenläden beschlagnahmt. Im Gegensatz zu Frau Faeser vergaß das ZK allerdings nicht, den Sputnik-Abonnenten ihre Jahresbeiträge anteilig zurückzuerstatten.
Ähnlich wie in Deutschland heute im Falle COMPACT rumorte es nach dem Sputnik-Verbot in der DDR. Das linientreue Neue Deutschland wurde mit Protestbriefen überschwemmt, Stasi-Agenten aus dem ganzen Land meldeten heftige, teilweise außerordentlich aggressive Reaktionen. Im Gegensatz zu unserer Zeit waren es die Universitäten, Professoren wie Studenten, die ihrem Unmut Luft machen. Doch anders als heute konnte kein DDR-Bürger ein Gericht anrufen, um die ZK-Entscheidung rückgängig machten. Kein Richter, kein Staatsanwal hätte dafür seien Kopf riskiert. Und heute? Wir warten auf den Dienstag…
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