Das Fest zu Christi Geburt hat sich bei unseren Urahnen durchgesetzt, weil es sich mit heidnischen Bräuchen verbinden ließ. Eine solche Mischung findet sich nirgendwo sonst und ist damit typisch deutsch, hat aber – trotzdem oder deswegen? – die ganze Welt verzaubert. In unserer Geschichtsausgabe „Die Germanen“ finden Sie alles über die Mythen und Feste unserer Vorfahren. Hier mehr erfahren.

    _ von Pia Lobmeyer

    Die deutsche Weihnacht ist ein ganz besonderes Fest – und ein Exportschlager dazu: In alle Länder der Erde haben deutsche Einwanderer den geschmückten Tannenbaum mitgebracht, weil sie seinen Zauber fernab der Heimat nicht missen wollten. Ein fester Bestandteil des Festes ist die Adventszeit: Wochen der Besinnung und inneren Einkehr, des Beisammenseins in der dunklen Jahreszeit, in der man die Gemüter mit Kerzen, gewürztem Wein, Tannenduft und Plätzchen erhellt.

    In den katholischen Kirchen werden Krippen aufgestellt, aus den Kathedralen vieler deutscher Städte erschallen Oratorien, und auf den vielen schönen Weihnachtsmärkten im Land herrscht reges Treiben vor stimmungsvoll beleuchteter historischer Kulisse…

    Weihnachtskrippe. Foto: Alexander Hoffmann | Shutterstock.com

    Obwohl wir die Feiertage heute mit der Geburt Christi assoziieren, haben sie einen heidnischen Ursprung: Das wird zwar immer wieder bestritten, aber eigentlich ist es offensichtlich, denn im Gegensatz zu den Germanen kannten die frühen Christen dieses Fest noch gar nicht. Dazu kommt, dass die Kirche selbst die Weihnachtsbräuche bisweilen als heidnisch verdammte und versuchte, sie zu verbieten. Trotzdem haben sich germanisches Heidentum und Christentum im deutschen Brauchtum untrennbar vermischt und gehören zu unserem kulturellen Erbe.

    Jesus und Wintersonnenwende

    Schon der Kirchenvater Origenes weist darauf hin, dass das Feiern von Geburtstagen ursprünglich eine unchristliche Angelegenheit war:

    „In der Heiligen Schrift ist niemand erwähnt, der ein Fest oder großes Bankett zu seinem Geburtstag gehalten hat. Nur Sünder (wie Pharao und Herodes) halten ein großes Freudenfest über den Tag, an dem sie in diese Welt geboren wurden.“

    Das Christentum hat dem Tod lange Zeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Geburt und dem Werden: Neben dem Tod Christi am Kreuz stehen auch die Gedenktage der Märtyrer im Zeichen des Todes. Ohne die Geburt des Christkindes im exotischen Orient mit Engeln, Kometen und Magiern als vitalen Gegenpol zur christlichen Jenseits- und Leidfixierung hätten die lebensbejahenden Germanen das Christentum vielleicht gar nicht angenommen.

    Es ist sehr wahrscheinlich, dass die christliche Heilsbotschaft die Vorstellung von der ewigen Wiederkehr der Sonne in nordischen Gefilden überlagerte und die Geburt Christi deshalb als Lichtereignis umgedeutet wurde. Zeitlich fällt das Datum nämlich mit der Wintersonnenwende zusammen. In einem alten Bericht heißt es:

    „Die Nordländer senden in ihrer langen Winternacht am 35. Tage derselben Boten auf die Gipfel ihrer höchsten Berge, um die wiederkehrende Sonne zu erspähen, und wenn sie dieselbe erblicken, so verkündet man laut, dass nach fünf Tagen das neue Licht in die Täler dringen werde. Dann erhebt sich unermesslicher Jubel, und man feiert ein großes Fest, das Fest der frohen Botschaft des Lichtes.“

    Rauhnächte und die Wilde Jagd

    Das Räuchermännchen entstand vor 1830 im Erzgebirge. Foto: Patrick Osterloh | Shutterstock.com

    Auf den Weihnachtsmärkten im Erzgebirge werden von alters her handgeschnitzte Räuchermännchen feilgeboten, und das kommt nicht von ungefähr. In der Volksmythologie werden die „geweihten Nächte“ auch als Rauhnächte bezeichnet, in denen Geister umgehen und das Tor zur Anderswelt offen steht. Schon der Plural von Weihnachten deutet daraufhin, dass es sich nicht um einen einzigen Tag handelt, sondern um ganze zwölf Tage (24.12. bis 5. Januar).

    „Rauh“ könnte hier auch „Rauch“ bedeuten, da in dieser Zeit gerne geräuchert wurde, wie eine Quelle aus dem 16. Jahrhundert belegt: „Die zwolff naecht zwischen Weihenacht und Heyligen drey Künig tag ist kein hauß das nit all tag weiroch rauch in yr herberg mache / für alle teüfel gespenst vnd zauberey“ (Sebastian Franck).

    Man soll in dieser Zeit keine weißen Laken auf der Leine hängen lassen, weil sich sonst Wotans Wilde Jagd darin verheddert, und der Stoff im nächsten Jahr als Leichentuch für den Hausbesitzer verwendet würde!

    Gemeinsam mit Frau Holle, wie sie in Mitteldeutschland heißt, oder Perchta in Österreich und Süddeutschland, braust der Allvater mit seinem Geisterheer durch die Lüfte. In Skandinavien heißt die Wilde Jagd explizit Odensjakt (Odins Jagd), die ebenfalls um die Zeit der Wintersonnenwende, zum Julfest, stattfindet.

    Diese Periode soll besonders geeignet sein für die Orakelei – zur inneren Sammlung und zur Beobachtung von Zeichen und Geschehnissen, die uns Hinweise auf unser Schicksal im nächsten Jahr geben. Ein echt germanischer Brauch? Wie der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet, gaben unsere Urahnen viel aufs Orakeln und Zeichendeuten – mehr als alle anderen ihm bekannten Völker.

    Wenn das stimmen sollte, dann wäre nicht einmal das Bleigießen zu Silvester eine moderne Erfindung, sondern würde auf uraltes Brauchtum zurückgehen. Noch archaischer muten die furchteinflößenden Perchten in Tirol und Österreich an: Es ist einer der rätselhaftesten Bräuche in der Alpenregion.

    Traditioneller Krampuslauf in Bad Tölz (Bayern). Foto: FooTToo | Shutterstock.com

    Die unheimlichen Figuren mit den scheppernden Glocken gehen ebenfalls in den Rauhnächten um, der Brauch der Perchtenläufe wird bis heute gepflegt: Die Zeit „zwischen den Jahren“ ist eben auch eine Zeit „zwischen den Welten“. Das hängt mit dem alten Kalender zusammen: als die Germanen noch nach Monden rechneten, blieb eine Anzahl von Tagen im Jahr übrig, die eine Zwischenzeit darstellten, in der der Alltag aufgehoben war: In den Rauhnächten soll keine Arbeit verrichtet werden, und die Spinnerinnen müssen ihre Werke fertig haben…

    Der geheimnisvolle Baum

    Wie lange der Tannenbaum schon ein Bestandteil des Festes ist, ist umstritten. In Bethlehem gab es ihn jedenfalls nicht, er wurde erst in unseren waldreichen Breiten als Element der Christfeierlichkeiten entdeckt. Schriftlich belegt ist er zum ersten Mal vor 600 Jahren: In den Annalen des Jahres 1419 wird erstmals ein Weihnachtsbaum erwähnt. Er stand, mit Äpfeln, Nüssen und Lebkuchen behangen, im Freiburger Heilig-Geist-Spital und durfte an Neujahr geplündert werden. Ähnlich wie die Maibäume wurden im Mittelalter die meisten Tannen auch zum Christfest im Freien aufgestellt; sie hießen auch „Weihnachtsmaien“ .

    Erst später wurden sie in die Wohnzimmer geholt, vornehmlich von Protestanten und Familien, die sich dies leisten konnten. Schon in der heidnischen Zeit war es üblich gewesen, die Häuser in den Rauhnächten mit immergrünen Zweigen von Tannen oder Misteln zu dekorieren.

    Der Baumschmuck wandelte sich im Laufe der Zeit: früher war er vor allem mit Essbarem wie Oblaten, Datteln, Nüssen und anderen Süßigkeiten behangen, was ihm auch den Namen „Zuckerbaum“ eintrug und bei Kindern besonders beliebt machte. Später kam Kunsthandwerk hinzu, zum Beispiel Glaskugeln aus dem thüringischen Lauscha oder Schnitzereien aus dem Erzgebirge. In vielen Familien ist es seit jeher üblich, den Weihnachtsbaumschmuck selbst zu basteln, beispielsweise Holz- oder Strohsterne.

    Traumhaft schön: Kirche mit leuchtenden Weihnachtsbäumen am Weihnachtsabend. Foto: Pikoso.kz | Shutterstock.com

    In vielen Liedern wird die Geburt des Christkindes im Heiligen Land besungen, aber eines der beliebtesten Lieder – „O Tannenbaum“ – kommt ganz ohne Bezüge zur Bibel aus: Es lobpreist die „treuen Blätter“ des Nadelbaumes und verkündet die Lehre, dass „Hoffnung und Beständigkeit (…) Trost und Kraft zu jeder Zeit“ spenden.

    Jacob Grimm vermutete, dass sich die Baumsymbolik aus der Weltenesche Yggdrasil entwickelt hat und auf urgermanische Vorstellungen zurückgeht, zumal die Germanen ja ohnehin viel für Bäume übrig hatten. Gerade in der Kriegszeit diente das Weihnachtsfest dazu, den Zusammenhalt im Volk zu beschwören und die Hoffnung auf lichte Zeiten aufrechtzuerhalten. Die Feldpost war anfangs noch sehr gut organisiert, doch als später Päckchen und Grußkarten nur noch mit starker Verspätung ankamen, wuchs bei den Truppen der Unmut.

    Die angelsächsischen Taliban

    Bei den calvinistischen Puritanern in England und Amerika finden sich mitunter erstaunliche Parallelen zu den Taliban und den Kommunisten. Ihr ideologischer Fanatismus richtete sich vor allem gegen die Volkskultur: Als sie 1647 in England die Herrschaft übernahmen, wurde das Weihnachtsfest tatsächlich verboten! Es erschien ihnen zu heidnisch, und sowieso stand davon nichts in der Bibel.

    Jede Sinnenfreude, die das Leben lebenswert macht – traditionelle Feste, Musik, Tanz, Theater, Kunst, Dichtung – betrachteten sie mit großer Skepsis. Das Volk war über diese neue Regelung nicht gerade begeistert, es kam sogar zu Schlägereien auf den Straßen. Trotzdem wurde es zunächst durchgesetzt – bis es 1660 mit der Restauration der Monarchie wieder aufgehoben wurde.

    Den Weihnachtsbaum bescherte den Engländern erst ein deutscher Prinz, der sich als tatsächlicher Kulturbereicherer erwies: Nach seiner Vermählung mit der englischen Königin Victoria führte Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha den Baum in England ein, der sich dort bis heute großer Beliebtheit erfreut.

    Keiner fasste seinen Zauber besser zusammen als der große Goethe: „Bäume leuchtend, Bäume blendend / Überall das Süße spendend / In dem Glanze sich bewegend / Alt und junges Herz erregend / Solch ein Fest ist uns bescheret / Mancher Gaben Schmuck verehret / Staunend schaun wir auf und nieder / Hin und her und immer wieder.“

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