Die Pandemie hat ihn zum Popstar gemacht: Seit Corona gibt es wohl kaum einen Deutschen, der nicht schon mal etwas von Doktor Christian Drosten, dem Chefvirologen der Berliner Charité, gehört hat. Merkels Kabinett befolgt in der Krise seine Ratschläge. Jetzt hat ein bekannter Plagiatsjäger Drostens Dissertation geprüft – und ist auf etwas Merkwürdiges gestoßen. 

    „Ich muss gestehen, dass ich dieser Geschichte zunächst wenig Glauben geschenkt habe“, räumt Dr. Stefan Weber zu Beginn seines Gutachtens ein. Schon Tage bevor er einen genaueren Blick auf die Dissertation von Christian Drosten geworfen hat, brodelte es in der Gerüchteküche des Internets. Drostens Doktorarbeit existiere gar nicht, wurde nie veröffentlicht, wurde abgeändert, verfälscht oder gefälscht. Doch den Accounts, die solche Zweifel streuten, fehlte es an Seriosität. Stefan Weber wollte Klarheit.

    Begründer der Plagiatsforschung

    In der Plagiatsforschung ist Weber kein Neuling, gilt sogar als ihr Begründer. 2006 hat er sich an der Universität Wien in Kommunikationswissenschaft habilitiert und hält dort regelmäßig Seminare und Vorlesungen ab. Seine Enthüllungen haben schon so manchen Chefsessel und Lehrstuhl in einen Schleudersitz verwandelt, wie etwa im Fall der als Vorzeigeprofessorin gefeierten Nina Haferkamp, die nach einer positiven Plagiatsprüfung durch Stefan Weber von ihrer Juniorprofessur an der TU Dresden zurücktrat.

    Es gibt eine Doktorarbeit. Aber nicht aus dem Veröffentlichungsjahr!

    Bei Christian Drosten lautet Webers Resümee wie folgt: „Es gibt eine Doktorarbeit. Aber nicht aus dem Veröffentlichungsjahr!“ Erst im Sommer 2020 soll die Dissertation veröffentlicht worden sein, obwohl das laut Promotionsordnung schon viel früher, genau genommen 2003, im Jahr von Drostens Promotion, hätte passieren müssen. Für seinen Befund führt Stefan Weber drei stichfeste Beweise ins Feld:

    • 1. Die an der Universitätsbibliothek von Frankfurt am Main vorhandenen Exemplare der Doktorarbeit tragen die Signaturen D 126/1286 und D 126/1342.  Im Ordnungssystem der Bibliothek verweist die Nummer „D 126“ auf das laufende Jahr, also 2020. Wie Dr. Markus Kühbacher, ein anderer Plagiatsprüfer herausfand, hat auch die Deutsche Nationalbibliothek erst vor Kurzem zwei kopierte Exemplare der Dissertation bekommen.
    Die Signatur (von der Red. rot markiert) verrät das Aufnahmejahr in den Bibliotheksbestand der Deutschen Nationalbibliothek: 2020. Bild: Dr. Markus Kühbacher
    • 2. Auch in den formatneutralen Darstellungen PPC und MARC2 zeigt der Katalogeintrag, dass der Datensatz im aktuellen Jahr angelegt und abgeändert wurde. 
    • 3. Und das im Frankfurter Bibliothekseintrag verlinkte PDF-File mit Deckblatt und Inhaltsverzeichnis der Doktorarbeit wurde erst am 08.06.2020 mit der Software ABBYY FineReader 12 erstellt.

    Drosten redet von „Unsinn“

    „Warum erklären sich nicht die Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und Herr Drosten selbst, um den Spekulationen ein Ende zu bereiten?“, fragt Stefan Weber in seinem Schreiben. Als er den Berliner Star-Virologen per Mail kontaktiert, schreibt dieser zurück, dass derzeit „Unsinn“ über seine Dissertation verbreitet werde und er sich doch an die Presseabteilung der Universität Frankfurt wenden möge. Die redet von einem Wasserschaden, durch den die 2001 eingereichten Exemplare unbrauchbar geworden wären. Von einem Wasserschaden in der Frankfurter Bibliothek findet sich allerdings kein Hinweis im Netz, nur über entsprechende Schäden in anderen Gebäuden.

    Angenommen die physischen Exemplare der Dissertation sind wirklich beschädigt worden, warum existierte sie bis zum Sommer 2020 nicht einmal als Datensatz? Warum wurde 2003 kein Exemplar an die Deutsche Nationalbibliothek übermittelt, was im akademischen Betrieb gang und gäbe ist? Drosten äußert sich zu den Zweifel nicht. Statt dessen schürt er weiter Panik vor dem Corona-Virus, rät etwa bei Familientreffen zur „Vorquarantäne“. Gegenüber der Welt sprach er am Mittwoch sogar von einem „Ausnahmezustand für immer“.

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