Ich bin ein Kind kommunistischer Eltern – und heute eine gläubige Katholikin. Mein Weg dorthin war verschlungen, führte vor allem über die Liebe zu meinem Mann und die Herzlichkeit der Menschen in der Steiermark.

    _ von Nadja Bachheimer

    Albrecht Dürers: „Betende Hände“.

    Ich bin in der DDR aufgewachsen, in Ostberlin. Meine Eltern waren sehr im System verhaftet. Sie sind zwar katholisch getauft, haben sich aber in ihrer Jugend vom Glauben verabschiedet und dem Sozialismus als dem sinnstiftenden Größeren zugewandt. Ich habe in meiner Erziehung überhaupt keinen Zugang zu Gott gehabt. Es hieß immer, der Kommunismus schaffe einen neuen Menschen: Wir hätten die Religion überwunden, da sie irrational sei und den Einzelnen an der Entfaltung hindere – denn wer glaube, schiebe die Verantwortung von sich auf ein höheres Wesen. Ironisch irgendwie, wenn man bedenkt, dass die Eigenverantwortung gerade im Sozialismus auf ein Minimum herabgeschraubt wird…

    In der Schule gab es regelmäßig Appelle im Schulhof, Arbeiterkampflieder wurden gesungen, alles lief nach einem bestimmten Schema ab. Gott schien nicht zu fehlen, denn es gab für alles eine Erklärung – die Natur oder Darwin. In der Pubertät habe ich mich zunehmend von der marxistischen Ideologie entfernt. Der Fall der Mauer 1989 gab mir die Möglichkeit, meine ungeliebte Ausbildung – die Lehre als Bankkauffrau in der Deutschen Außenhandelsbank – abzubrechen. Ich beendete die Schule, ging für vier Jahre nach Schottland zum Studieren und arbeitete währenddessen und danach in verschiedenen deutschen Städten. Aber Gott, Glaube oder gar die Kirche spielten weiterhin keine besondere Rolle in meinem Leben.

    In Wien spürte ich eine gewisse Metaphysik.

    2004 kam ich nach Wien, und fortan war für mich eine gewisse Metaphysik erstmals spürbar – nicht zuletzt auf Grund der unglaublich hohen Anzahl sakraler Bauten, aber vor allem in den Begegnungen mit den Menschen. Dieses Übergeordnete oder nicht Erklärbare hat mehr und mehr in meine Gedankenwelt Einzug gehalten – still und leise. Ohne dass ich es bewusst gesteuert oder bemerkt hätte.

    Immer wieder schaute ich in eine der alten Kirchen hinein: Ich fühle dort Stille und Erhabenheit. Man merkt: Da ist etwas, das größer ist als der Mensch. Als sich auf einem Firmenausflug nach Italien meine Arbeitskollegen ganz selbstverständlich beim Betreten einer Kirche bekreuzigt haben, beeindruckte mich das sehr – diese einfache Geste der Zugehörigkeit zum Glauben und des Respekts vor der Erhabenheit der sakralen Umgebung.

    Die Kirche im Dorf

    Entscheidend für meinen Weg zur Taufe war die Begegnung mit meinem heutigen Ehemann Thomas, seiner Familie und dem Leben in seiner Heimatgemeinde im obersteirischen Neuberg an der Mürz. Es gibt dort eine gigantische gotische Kirche, den Dom im Dorf, völlig überproportional zur Anzahl der Einwohner.

    Gerade in Österreich habe ich gesehen, dass bedeutende Gotteshäuser oft an den entlegensten Winkeln des Landes, sogenannten Kraftorten, in die Landschaft hineingebaut wurden, ohne das natürliche Erscheinungsbild der Region zu stören. An solchen Stellen haben die Erbauer etwas Besonderes, Erhabenes gespürt, was sie zum Bau der Kirchen bewogen hat. Zur damaligen Zeit (in Neuberg war es das 14. Jahrhundert) stellte die Errichtung dieser Sakralbauten eine gewaltige Anstrengung dar, die viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauerte.

    Stift Neuberg an der Mürz. Foto: Marion Schneider & Christoph Aistleitner

    Neuberg ist eine überschaubare Gemeinde, wo man sich kennt und sonntäglich und zu den Hochfesten in der Kirche trifft. Da wird der Glaube wirklich gelebt, er ist – in Verbindung mit dem Respekt vor der wunderschönen Natur – Teil des Alltags. Ganz besonders zeigt sich das bei der liebevollen Pflege des leiblichen Wohles. Thomas’ Mutter «geht» – wie viele andere Frauen in diesem Ort – bei der Essenszubereitung mit den kirchlichen Bräuchen, die wiederum mit dem Angebot der Natur in der jeweiligen Jahreszeit korrelieren.

    Es werden Obst und Gemüse, aber auch gewisse Fleisch- und Wurstsorten nur in bestimmten Monaten zubereitet, sonst sind sie tabu. Wenn man genau in sich hineinfühlt, spürt man gleich, dass die Gaben aus Flur und Feld weit weniger bekömmlich sind, wenn sie zum «falschen» Zeitpunkt genossen werden. Natur, Glaube und guter Lebensstil sind hier in wohltuendem Einklang.

    Frau, Mann – und Gott

    Der endgültige Anstoß zur Taufe war meine Heirat. Für uns kam nur eine kirchliche Eheschließung infrage, denn den Staat in seiner derzeitigen Ausprägung konnten wir als moralische Instanz nicht akzeptieren. Mit den Worten «Dei Mickey-Mouse-Hochzeit kannst Dir glei ghalten» machte mir mein Bräutigam unmissverständlich klar, was er von einer standesamtlichen Trauung hielt. Das motivierte mich, meiner inneren Annäherung an den christlichen Glauben auch die offizielle folgen zu lassen.

    Thomas ist mein genauer Gegenpol: Wo ich mir oft von des Gedankens Blässe angekränkelt selbst im Wege stehe, kennt er nur den direkten Weg voran – immer seinem untrüglichen Bauchgefühl folgend, nicht zuletzt auch wegen des schon mit der Muttermilch aufgesogenen Glaubens. So hat er im Laufe der Jahre manche obersteirische Bresche (in seiner Sprache: «Schnoasn») in mein Preußentum geschlagen, wofür ich ihm nicht genug danken kann.

    Nadja und Thomas Bachheimer nach ihrer Trauung. Foto: Andreas Hafenscher

    Die Taufe – der ja im Erwachsenenalter eine längere Vorbereitungszeit vorausgeht – habe ich in der Osternacht in der Wiener Pfarre St. Johann Nepomuk im zweiten Bezirk empfangen. Die Feier der Auferstehung, meine Taufe und die anschließende warmherzige Begrüßung durch Mitglieder der Gemeinde waren Erlebnisse, die ich nie vergessen werde.

    Den Kontakt zu Konstantin Spiegelfeld, dem Pfarrer von St. Nepomuk, hatte ich über meine Trauzeugin Cordula bekommen. Beide sind sehr aktiv in der Behindertenbetreuung bei den Maltesern und reisen unter anderem jedes Jahr mit einer Gruppe ihrer Schützlinge zu einer einwöchigen Wallfahrt nach Lourdes. Sie «geben etwas zurück» und empfinden tiefste Erfüllung und Freude dabei – trotz der nicht geringen Strapazen.

    Viele Wege, ein Ziel

    Besonders berührend und auch lehrreich war für mich der Kontakt mit den anderen Erwachsenen-Täuflingen der Erzdiözese Wien. Im Jahr 2013 waren es 46 Menschen, die sich verteilt auf die einzelnen Gemeinden auf die Zeremonie vorbereiteten. Bei der Planung der Admissio-Feier im Stephansdom kamen wir dann zusammen. Das Procedere wurde besprochen, und wir tauschten unsere «Glaubensbekenntnisse» aus. Diese Gespräche offenbarten eine erstaunliche ethnische und spirituelle Bandbreite bei den Täuflingen.

    Zum Beispiel hatten wir einen Österreicher, der eigentlich schon immer katholisch war, aber aus irgendwelchen Gründen ein Sakrament verpasst hatte. Mit der Erwachsenentaufe kann man gleichzeitig Erstkommunion und Firmung «in einem Abwasch» nachholen, das wollte er jetzt rechtzeitig vor der Taufe seiner Kinder erledigen. Der Experimentierfreudigste der Gruppe war ein 19-jähriger Musiker aus Afghanistan, der auf seiner nun schon mehrere Jahre andauernden Flucht angeblich schon fast alle Regionen ausprobiert hatte. Nachdem er dem Islam schon daheim nichts hatte abgewinnen können, fand er auch bei den Mormonen und der evangelischen Kirche nicht das, was er suchte.

    Mystische Glut. Foto: alexis, CC0, Pixabay.com

    Am berührendsten war für mich die Geschichte eines Persers, eines hochbetagten Herrn, der nach seiner Jugend in Teheran schon viele Jahre im Westen lebte und als Professor in Wien lehrte. Naturwissenschaftler durch und durch, hatte er keinerlei Zugang zum Glauben. Dann zwang ihn ein Unfall zu einem längeren Spitalaufenthalt. Dort wurde er von Nonnen hingebungsvoll betreut – und bekehrt. Nie werde ich vergessen, wie er – gestützt auf seine Taufpatin, eine der Pflegerinnen – während der Admissio-Feier zu Kardinal Schönborn ging, um seinen Segen zu erhalten, während sein Glaubensbekenntnis verlesen wurde.

    Man kann sich seine Identität nicht aus einem Baukasten mit ein bisschen Buddhismus und ein bisschen Botox zusammenstellen.

    Öfter wurde ich nach meinem «Bekehrungserlebnis» befragt, das mich zur Taufe bewogen hat. Doch einen einzigen eindeutigen Auslöser gab es nicht. Vielmehr hat mich der Mangel an Sinnhaftigkeit in unserem modernen Alltag und die Überhöhung des Menschen und das Alles-ist-möglich-Credo in unserer Gesellschaft unzufrieden gemacht.

    Eine Gesellschaft, in der viele Menschen im Hamsterrad der Selbstoptimierung festzustecken scheinen, hat für mich keinen Sinn. Auch die Ablehnung von Traditionen und der Götzendienst vor dem Fremden führen ins Leere. Man kann sich seine Identität nicht aus einem Baukastensatz zusammenstellen: da ein bisschen Buddhismus und dort ein bisschen Botox, sexuelle Freiheit sowieso, und wenn mir fad wird, werd’ ich halt bi. Ich kenne niemanden, den das nachhaltig befriedigt.


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    Glaube hat für mich auch ganz stark mit Nächstenliebe zu tun. Das bedeutet für mich, dass man sich selbst und seine Befindlichkeiten ein bisschen zurücknimmt und an den anderen denkt – nicht nur irgendwie abstrakt dem Motto «In Afrika hungern die Kinder» folgt, sondern einfach die Menschen um sich herum sieht und auf sie zugeht. Es heißt ja nicht umsonst: Liebe Deinen Nächsten. Ziel der Nächstenliebe ist die Stärkung der Gemeinschaft, und wirkliche Gemeinschaft ist immer lokal, also Heimat. Der Glaube ermahnt uns und hilft uns dabei, nicht nachzulassen in dem Bemühen, bessere Menschen zu werden.

    _ Nadja Bachheimer lebt seit vielen Jahren in Wien, arbeitet als Marketingmanagerin und unterstützt ihren Mann Thomas Bachheimer bei seiner alternativen Nachrichten-Plattform bachheimer.com.

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