Am kommenden Sonntag wählen die Spanier ein neues Parlament. Aktuellen Umfragen zufolge werden die regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez erneut stärkste Kraft. Doch ein Regierungswechsel ist greifbar nah. Die konservative Partido Popular und die liberalen Ciudadanos holen dazu möglicherweise die rechte Partei Vox ins Boot.

    Seit Italiens Innenminister Matteo Salvini die Häfen seines Landes für illegale Bootsmigranten geschlossen hat, hat sich die Route im Mittelmeer von Italien nach Spanien verlagert. Im Oktober 2018 kamen dort zum ersten Mal seit Beginn der großen maritimen Migrationsbewegung vor fünf Jahren mehr als 10.000 Menschen innerhalb eines Monats an. Vom 1. bis zum 28. Oktober zählte die Internationale Organisation für Migration 10.042 Neuankömmlinge auf der Iberischen Halbinsel, 3.338 in Griechenland und 1.003 in Italien.

    Während die Zahl der Migranten in Griechenland leicht und in Italien stark sinkt, ist sie in Spanien seit der Regierungsübernahme des Sozialisten Pedro Sánchez Anfang Juni 2018 erheblich angestiegen. Dabei hatte sich die Zahl der Ankünfte an Spaniens Küsten schon im Jahr 2017 mit 23.000 mehr als verdoppelt. Das hielt Sánchez nicht davon ab, schon kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten in Merkel-Manier die Aufnahme von Bootsmigranten als humanitären Akt zu zelebrieren.

    Die Mai-Ausgabe des COMPACT-Magazins. Ab Samstag am Kiosk oder schon jetzt durch einen Klick auf das Bild oben bestellen. Abonnenten erhalten sie in diesen Tagen und können die Artikel jetzt schon unter Digital+ online lesen.

    Die Willkommenssignale wurden in Afrika, vor allem in Marokko, sofort verstanden und lösten eine neue Zuwanderungswelle aus. Diese brandete aus geografischen Gründen aber nicht zuerst in Valencia oder der Hauptstadt Madrid an, sondern in Andalusien – der ärmsten Region Spaniens mit einer strukturell hohen Arbeitslosigkeit. Bei der Neuwahl des dortigen Regionalparlaments am 2. Dezember 2018 wurde die politische Landschaft denn auch kräftig umgepflügt: Die seit 36 Jahren in Andalusien regierende PSOE von Sánchez wurde abgestraft und konnte auch mit dem Linksbündnis Podemos keine Mehrheit mehr bilden. Das lag vor allem am Wahlerfolg der jungen Partei Vox, die mit einem zuwanderungskritischen Programm aus dem Stand zwölf der 109 Sitze im Regionalparlament holte und seitdem die dortige Regierungskoalition der konservativen Partido Popular (PP) und der liberalen Ciudadanos stützt.

    Von Anfang Januar bis Anfang Dezember 2018 kamen mehr als 40.000 Afrikaner in Spanien an – fast alle an der Küste Andalusiens. Dass die Motive der Migranten stark materiell geprägt sind, zeigt der Umstand, dass fast alle aus der armen Region weiterziehen – zumeist nach Katalonien. Das liegt an den überdurchschnittlich hohen Sozialleistungen und Betreuungsangeboten für Migranten. Zusätzliche Attraktivität entfaltet die zuwanderungsfreundliche Ausrichtung der dort politisch und gesellschaftlich vorherrschenden Kräfte.

    Der neue starke Mann der spanischen Rechten: Vox-Chef Santiago Abascal ist ein Freund klarer Worte. Foto: MiguelOses/Shutterstock.com

    Mit dem Scheitern der Linksregierung in Madrid – hervorgerufen durch die beiden katalanischen Parteien ERC und PDeCAT, auf dessen Stimmen die Koalition aus PSOE und Podemos angewiesen war – und den für den 28. April angesetzten Neuwahl zum Congreso de los Deputados, dem spanischen Parlament, besteht nun die Möglichkeit, das „Modell Andalusien“ auf Gesamtspanien zu übertragen. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Demoscopia Servicios vom 22. April würde die PSOE zwar mit 28,1 Prozent wieder stärkste Partei werden, doch der Mitte-Rechts-Block aus PP, Ciudadanos und Vox könnte letztendlich als Sieger aus dem Urnengang hervorgehen, weil der Koalitionspartner der Sozialisten, das Linksbündnis Podemos schwächelt: Für die Partei von Pablo Iglesias würden nur noch 12,6 Prozent der Wähler stimmen – womit sich ihr Ergebnis der letzten Wahl von 2016 fast halbieren würde.

    Die PP des jungen Charismatikers Pablo Casado ist den Sozialisten hingegen mit 21,8 Prozent relativ dicht auf den Fersen, für die Ciudadanos werden 14,4 Prozent vorausgesagt – und die rechte Vox von Santiago Abascal könnte laut dieser Umfrage aus dem Stand auf 12,7 Prozent der Stimmen kommen. Viel wird nun davon abhängen, wie die kleinen regionalistischen und separatistischen Parteien abschneiden. Stark sind diese vor allem in Katalonien – also in jener Region, die die „Parteien der nationalen Einheit“ PP, Ciudadanos und Vox wieder stärker an die Kandare nehmen wollen.

    Dass es in Spanien keinen Abgrenzungskurs der Konservativen gegenüber den Rechten von Vox gibt, sondern eine reale Machtoption unter Einbindung der Zuwanderungs- und EU-Kritiker ist vor allem dem neuen PP-Chef Casado zu verdanken, der im Sommer 2018 die Führung von von Europas mitgliederstärkster Partei übernommen hat. „Der junge und charismatische Politiker hat sich offensichtlich am Österreicher Sebastian Kurz ein Beispiel genommen und erkannt, dass die bürgerliche Mitte einen rechten Koalitionspartner braucht, wenn sie die Macht erobern und behalten will“, schreibt unser Außenpolitikexperte Sven Reuth in seinem aufschlussreichen Artikel „Die Reconquista hat begonnen: Der Aufstieg der neuen Rechten in Spanien“ in der aktuellen Ausgabe 4/2019 von COMPACT.

    Weiter heißt es in dem Beitrag:

    In Deutschland gilt der Kastilier – so beispielsweise die Einschätzung der Ostsee-Zeitung – als «Nationalist», weil er der «Ehe für alle» nur wenig abgewinnen kann und eine stärkere Zentralisierung des Staates gegen die erstarkenden autonomistischen und sezessionistischen Bewegungen befürwortet. Vor allem aber ist er erfolgshungrig. Von verstaubten Abgrenzungsdoktrinen dürfte er sich jedenfalls nicht auf seinem Weg in den Palacio de la Moncloa abhalten lassen. Erst im Februar versammelte er bei einer Großkundgebung auf dem Madrider Colon-Platz, die er gemeinsam mit dem Vox-Vorsitzenden Santiago Abascal und dem Ciudadanos-Chef Albert Rivera ausrichtete, mehr als 50.000 Demonstranten.

    Das Bündnis würde, auf Deutschland übertragen, einem Schulterschluss von Alexander Gauland, Annegret Kramp-Karrenbauer und Christian Lindner entsprechen, ist also vollkommen unvorstellbar. Im Königreich hingegen erhielt die neue Allianz sogar Gottes Segen: Demetrio Fernandez, der Bischof von Cordoba, drückte jedenfalls schon seine Zustimmung zur neuen Regierung in Sevilla aus. Er sei «erfreut» darüber, dass es der Gesellschaft Andalusiens gelungen sei, «eine Wende dieser Größenordnung» zu vollziehen. Zu der im Wahlkampf von linken Parteien erhobenen Forderung nach einer Verstaatlichung der weltberühmten Mezquita-Kathedrale von Cordoba, einst Hauptmoschee des iberischen Kalifats, äußerte Fernandez, dass «Angriffe auf die Religionsfreiheit» nicht «ungestraft» blieben. Wer eine «Welt ohne Gott» schaffen wolle, müsse dafür einen Preis bezahlen.

    Wenn es am Sonntag für eine Machtübernahme des Mitte-Rechts-Bündnisses reicht, wofür einiges spricht, wären sogenannte Rechtspopulisten nach Österreich und Italien an einer weiteren westeuropäischen Regierung beteiligt. Das ist vor allem für die künftige Migrationspolitik der Mittelmeer-Anrainerstaaten von enormer Bedeutung. Eine Regierung aus PP, Ciudadanos und Vox dürfte das Laisser-faire der bisherigen sozialistischen Regierung beenden und sich stattdessen an Italien mit seinem Innenminister Salvini orientieren.

    Zudem wäre ein starkes Abschneiden der rechten Vox-Partei am kommenden Sonntag ein wichtiges Signal für die Europawahlen Ende Mai. Zusammen mit der Lega, der FPÖ, dem Rassemblement National, der AfD, der Partei Die Finnen, der Dänischen Volkspartei und anderen EU- und zuwanderungskritischen Formationen könnte Vox dann im Straßburger Parlament eine Phalanx der Patrioten bilden, die den Brüsseler Eurokraten kräftig in die Suppe spucken würde.

    Kommentare sind deaktiviert.