Kein Programm, keine Führung – trotzdem konnte Wagenknechts Sammlungsbewegung #Aufstehen in zwei Wochen über 60.000 Anhänger rekrutieren. Denn die Initiative ist vor allem ein Sammelbecken gegen die Dogmen des linksgrünen Establishments. Es folgt ein Auschnitt aus dem Artikel von Martin Müller-Mertens in der COMPACT-Ausgabe September – hier zu bestellen)

    Dritter Weg, Querfront oder zurück zu Willy Brandt? Fast ein Jahr nach den ersten Ankündigungen wird im September 2018 die Sahra-Wagenknecht-Bewegung gegründet. Doch die Ziele des angekündigten Aufstands der Abgehängten sind ein gut gehütetes Geheimnis. «Die Sammlungsbewegung gibt sich ein Programm, nachdem wir zugehört haben, was die Mehrheit der Bevölkerung möchte», wiegelte die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen Anfang August im Morgenmagazin der ARD nonchalant ab. Ganz so, als würden die Initiatoren selbst nicht wissen, was sie eigentlich anstreben.

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    Tatsächlich dürfte das künftige Manifest längst geschrieben sein – unüberhörbar haben die Gründungseltern, Linken-Fraktionschefin Wagenknecht und ihr Ehemann Oskar Lafontaine, in Interviews und Gastartikeln politische Claims abgesteckt und das Establishment der eigenen Partei provoziert. Bereits im Frühjahr forderte Wagenknecht in der Frankfurter Allgemeinen unter anderem «Wahrung kultureller Eigenständigkeit» und «Respekt vor Tradition und Identität».

    Mitte August lehnte sie ein von der Bundesregierung geplantes Anwerbegesetz ab: «Deutschland muss seine Fachkräfte selbst ausbilden.» Der einstige SPD- und Linken-Vorsitzende Lafontaine umwarb fast zeitgleich in der Welt am Sonntag AfD-Wähler. Für Mitglieder von #Aufstehen gebe es «keine Gesinnungsprüfung», sollten sie sich «vom Saulus zum Paulus» wandeln. Am 4. September wird der Gründungsaufruf veröffentlicht: «Dann werden die Namen aller prominenten Initiatoren bekannt gegeben, und es wird eine erste programmatische Orientierung in Form eines Gründungsaufrufs veröffentlicht. Aber die Programmatik der Sammlungsbewegung wird nicht von den Initiatoren festgelegt.» Glaubhaft ist diese Selbstbeschränkung nicht.

    Sozialdemokratischer Geheimbund

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    Entsprechende Ansätze lassen sich auch auf der Webseite aufstehen.de erkennen. Dort berichten Betroffene über ihre Armut, fehlende Kindergartenplätze, ein schlechtes Schulsystem, üben Konzernkritik, fordern Friedenspolitik oder Tierschutz. Die Tonlage ist geprägt von persönlicher Empörung. Damit manövriert #Aufstehen irgendwo zwischen der Godesberger SPD, der früheren Kümmerer-PDS und einem eher ordnungspolitisch als patriotisch begründeten Bekenntnis zum Nationalstaat. Entscheidend ist aber, welche Themen #Aufstehen bislang ausspart. Der im linken Lager ansonsten verpflichtende Minderheitenfetischismus – Hyperindividualismus, Kult um sexuelle Randorientierungen oder Anbetung hereinströmender Ausländer – wird bei der Sammlungsbewegung ausgespart. Zwar zeigt sich eine angebliche Syrerin «ein bißchen beängstigt, was den Rechtsruck angeht». Doch das Reizwort Rassismus kommt auch der Orientalin mit leichtem rheinischen Dialekt nicht über die Lippen.

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    Zumindest in der Anfangsphase umgab #Aufstehen zudem die Aura eines regelrechten Geheimbundes – die Namen der künftigen Zugpferde bleiben bis 4. September unter Verschluss. Nicht dementiert wurde die Mitwirkung der einstigen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne), des SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow und des Dresdner Schriftstellers Ingo Schulze. Doch offiziell nannte der Verein bis Ende August lediglich den Dramaturgen Bernd Stegemann als Gründungsvorsitzenden.

    Der bis dato kaum bekannte Stegemann griff bereits im März 2017 neosozialistische Dogmen an. Der heute 51-Jährige bemängelte, «dass die einst linken und emanzipatorischen Forderungen zu Waffen der neoliberalen Ausbeutung geworden sind». Die zunehmende soziale Ungleichheit werde mit den Verheißungen von individueller Freiheit und Identitätspolitik kompensiert. «Zugespitzt gesagt: An die Stelle des Klassenkampfes sind die biopolitische Perfektionierung des Alltags und die Sprachregelungen der Political Correctness getreten.» Anfang August wetterten Stegemann und Wagenknecht in der Oldenburger Nordwest-Zeitung gegen die «allgemeine Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur». (Ende des Auschnitts, weiterlesen in der COMPACT September-Ausgabe – hier zu bestellen)

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