Es ist schon ärgerlich für fortschrittswillige Politiker, wie konservativ das Volk doch manchmal ist. Da wollte Bundeskanzler Gerhard Schröder eine „moderne“ Sozialdemokratie schaffen – und seine Gegner erkennen darin nur neoliberale Barbarei. Da will Macron die Franzosen mit Dieselsteuer auf den neuesten Stand des klimabewußten Lebens heben – und wie lautet die (undankbare) Antwort? Die Gelbwesten bringen seinen Ex-Banker-Thron zum Wackeln. Sogar seine Pläne, mehr EU zu wagen, stoßen lediglich bei der Propagandapresse auf Zustimmung.
Aber auch in Sachen Ästhetik sind die Bürger so herrlich unbelehrbar: So wollten zahlreiche Berliner tatsächlich das alte Stadtschloss wiederhaben – anstelle eines verührerisch-modernistischen Neubaus aus Glas und Stahl. Und jetzt wieder Frankreich: Nach dem Brand von Notre-Dame hatten zahlreiche Architekten ungefragt Entwürfe für einen „modernisierten“ Wiederaufbau eingereicht. Mit schönen Glaskuppeln, Stahlbeton und anderen Köstlichkeiten. Das Stockholmer Architekturbüro Ulf Mejergren Architects (UMA) hatte sogar einen Swimmingpool auf dem Dach vorgeschlagen.
An der Spitze dieser Bewegung: natürlich Präsident Macron, der nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Sachen Ästhetik die Avantgarde repräsentieren möchte. Und wieder bringt ihn allgemeine Ignoranz zum Scheitern. Da beschließt der Senat doch tatsächlich einen originalgetreuen Wiederaufbau der Kathedrale! Quasimodos Wohnstätte soll wieder so werden, wie man sie aus zahlreichen Verfilmungen des „Glöckner(s) von Notre Dame“ kennt, so, „wie sie zuletzt aussah“.
Auch Bürgermeisterin Anne Hidalgo will laut Le Figaro eine Originalrekonstruktion: Notre Dame „ist ein Werk, das allen Parisern und allen Franzosen, ja der ganzen Welt gehört. Wir müssen sie so respektieren, wie sie ist. Ich stimme daher für die originalgetreue Rekonstruktion.“
Jetzt muss das parlamentarische Unterhaus dem Senatsbeschluss noch sein Okay geben. Hier hätten Macron-Fans nochmal die Chance, den Originalnachbau zu verhindern. Sollte das nicht gelingen, dürfte der Streber-Präsident endgültig in die Fußstapfen seines Vorgängers, des großen Verlierer-Präsidenten Francois Hollande, getreten sein.
Die EU-Wahl brachte „Hoffnung für Europa“, wie die Titelschlagzeile in der Juni-Ausgabe von COMPACT lautet: Le Pens RN wurde mit über 23 Prozent stärkste Partei in Frankreich, Salvinis Lega deklassierte mit über 33 Prozent die Konkurrenz in Italien, Orbans Fidesz erzielte gar 56 Prozent in Ungarn. Diese Drei sind die Leuchttürme eines Europa der Vaterländer und zieren mit Recht unser neues Cover. Mit einem Klick bestellen