Der Streit zwischen den USA und der Bundesrepublik scheint beigelegt – aber um einen hohen Preis. Russland steht der Vereinbarung nicht ohne Grund skeptisch gegenüber. Was der russische Präsident wirklich will, lesen Sie in der COMPACT-Edition Wladimir Putin: Reden an die Deutschen. Hier mehr erfahren.

    Im Streit um die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 2 haben sich die Bundesrepublik und die USA auf einen zweifelhaften Kompromiss geeinigt: Zwar ist nun der Weiterbau und die Inbetriebnahme der Leitung zum Gastransport von Russland nach Deutschland durch die Ostsee sichergestellt, es soll aber berücksichtigt werden, dass Transitländer wie Polen und die Ukraine nicht benachteiligt würden.

    Außerdem verpflichtete sich Berlin gegenüber Washington, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, sollte Moskau sein Gas als „Waffe“ – wie es in der Vereinbarung heißt – benutzen. Die Bundesregierung soll sich in diesem Fall auch bei der EU für entsprechende Embargomaßnahmen einsetzen.

    Der Verlauf von Nord Stream 2. Grafik: MurzillA, Shutterstock.com

    Trotz des zweiten Stranges der deutsch-russischen Erdgasleitung wird die Bundesrepublik auch weiterhin per Fracking gefördertes US-amerikanisches LNG (Flüssiggas) kaufen, das per Tankschiff über den Ozean transportiert wird. Die Grünen zählen zu den inländischen Hauptgegnern von Nord Stream 2, obwohl Erdgas wesentlich umweltfreundlicher ist als Fracking-Gas.

    Wir finanzieren ukrainische Energiewende

    Der Hauptgegner der neuen Gas-Pipeline im Ausland ist neben Polen die Ukraine, deren Staatshaushalt erheblich von den Transitgebühren in Höhe von zwei Milliarden Euro für die kontinentale Gasleitung von Russland nach Polen finanziert wird. Der Vertrag der ukrainischen Naftogaz mit der russischen Gazprom über den Transport von 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr läuft Ende 2024 aus und soll um zehn Jahre verlängert werden.

    Die „grüne“ Energiewende in der Ukraine soll durch die Einrichtung eines Fonds in Höhe von über einer Milliarde Euro gesichert werden. Davon zahlt Deutschland sofort 175 Millionen Dollar ein und will in den nächsten Jahren sogar noch auf die Steigerung seiner Zusagen hinarbeiten.

    Deutschland musste sich also, wie üblich, wieder mit hohen Summen freikaufen, obwohl an Nord Stream 2 noch andere europäische Länder beteiligt sind und sogar eine Kontrolle des Gasflusses beanspruchen, besonders Frankreich unter Präsident Macron.

    Im Falle einer Benachteiligung der Ukraine drohen der russischen Betreibergesellschaft Gazprom Sanktionen. Der ukrainische Präsidenten Wladimir Selenski hatte in Kiew die Fertigstellung
    der Ostseepipeline als „eine mächtige Waffe“, die Russland an die Hand gegeben werde, bezeichnet.

    Einer der schärfsten Gegner von Nord Stream 2: Der ukrainische Präsident Wladimir Selenski. Foto: Sergei Chuzavkov | Shutterstock.com

    Auch in der gemeinsamen Erklärung der USA und der Bundesrepublik wird nun Russland davor gewarnt, Energie als politische „Waffe“ einzusetzen oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine zu begehen. Der russische Botschafter in den USA warf daher beiden Ländern „Russophobie“ vor und beklagte einen feindlichen Ton im Dokument.

    „Wir haben nie unsere Energieressourcen als Werkzeug politischen Drucks eingesetzt“, teilte Anatoli Antonow am Donnerstag in Washington mit. Der Diplomat kritisierte, die amerikanisch-deutsche Vereinbarung zu Nord Stream 2 beinhalte „politische Angriffe“ gegen sein Land.

    Bereits am 4. Juni 2021 hatte Russlands Präsident Wladimir Putin während seiner Rede auf einer Plenarsitzung des Sankt Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums verkündet, dass der erste Strang von Nord Stream 2 vollständig verlegt worden sei. Die Arbeiten am zweiten Strang sollen voraussichtlich Ende August beendet seien.

    Die Pipeline Nord Stream 2 verläuft von Wyborg in Russland durch die Ostsee bis nach Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Sie soll künftig 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr befördern und damit zur Sicherheit der Energieversorgung einen wichtigen Beitrag leisten.

    Amerikas gefährliches Spiel

    Russland liefert schon seit zehn Jahren Erdgas über die Pipeline Nord Stream zuverlässig nach Europa und wird dies auch weiterhin tun – allein schon aus wirtschaftlichen Gründen. Es waren die US-Amerikaner, die sich in den letzten 30 Jahren als wortbrüchig und aggressiv erwiesen haben:

    1. Ihre militärischen Basisstationen in Europa, besonders in Deutschland, haben sie kräftig – auch an der Zahl – unter dem NATO-Deckmantel ausgebaut. Russland verzichtete komplett auf militärische Stationen beim Wiedervereinigungsvertrag von 1990 und baute die Stationen im Osten der Bundesrepublik ab.

    Den Handschlag hätte sich Angela Merkel wohl lieber gespart. Aber die Kanzlerin redet immer wieder mit Wladimir Putin, wie hier bei ihrem Moskau-Besuch zum 70. Jahrestag des Kriegsendes. Foto: kremlin.ru

    2. Moskau wurde zugesichert, die EU nicht bis zu den baltischen Staaten, also bis vor die Haustür Russlands, auszubauen. Diese Zusagen wurden gebrochen. Zuerst wurden Assoziierungsabkommen geschlossen, dann erfolgte vor 17 Jahren der Beitritt Estlands, Lettlands und Litauens. Damit ist aber die EU noch lange nicht zufrieden – es laufen gegen den Widerstand Putins Assoziierungsabkommen mit Georgien und Moldau, die noch in diesem Sommer unterzeichnet werden sollen. Die Ukraine könnte sogar offiziell Mitglied werden, was diese nach einem Parlamentsbeschluss von 2019 massiv anstrebt.

    3. Die US-Amerikaner bringen jährlich Truppen und militärisches Gerät von Deutschland über Polen bis in die baltischen Staaten, etwa bei den monatelangen militärischen Großübungen Defender 20 und Defender 21. Dabei werden Panzer von den USA direkt in baltische Häfen verschifft, und es wird militärisches Personal bewegt (zuletzt circa 76.000 Soldaten). Die Deutschen müssen dafür zahlen und unterstützen, wo es geht. Die Manöver werden dann so lange ausgedehnt, bis der Tag des russischen Quasi-Nationalfeiertages 9. Mai erreicht ist. Das sind alles unangebrachte Provokationen Russlands.

    4. Dabei hat sich Russland seit der Wiedervereinigung Deutschlands absolut defensiv verhalten. Die US-amerikanische Waffenindustrie muss offensichtlich regelmäßig mit deutschem Geld geölt werden. Wenn endlich die Quasi-Besatzung Deutschlands beendet würde, damit wir unsere volle Souveränität über 70 Jahre nach Kriegsende wiedererlangen, würde der US-Armee niemand eine Träne nachweinen. Es ist Putin, der Deutschland einen Friedensvertrag und volle Souveränität zusichern will – die anderen früheren Kriegsgegner nicht, insbesondere nicht die USA.

    Er ist der Politiker, der für den Westen ein rotes Tuch ist – Wladimir Putin. Seinem Land hingegen brachte er die wirtschaftliche Stärke zurück. Mit im Gepäck: Nationalstolz und Nationalbewusstsein. Ohne Russland, ohne Putin lässt sich heute Weltpolitik nicht mehr denken. Wir haben in unserer COMPACT-Edition Wladimir Putin: Reden an die Deutschen die wichtigsten Gedanken und Ansprachen des russischen Präsidenten dokumentiert – und uns dabei vor allem auf jene Reden konzentriert, die das deutsch-russische Verhältnis betreffen. Informieren Sie sich aus erster Hand, was Putin will und wie er über Deutschland denkt. Die aufschlussreiche Edition können Sie hier bestellen.

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