Er blieb bescheiden, obwohl er große Titel sammelte wie andere Briefmarken und zahlreiche internationale Rekorde aufstellte: Zum Tod des Fußball-Weltmeisters Gerd Müller. Wir präsentieren Ihnen in unserem COMPACT-Spezial Nationalsport Fußball – Herzschlag einer deutschen Leidenschaft die Glanzzeiten des deutschen Fußballs – von den Anfängen im Kaiserreich über das Wunder von Bern 1954, das Jahrzehnt der Götter mit Helmut Schön und seinen Mannen bis zum Sommermärchen 2006. Hier mehr erfahren.

    Im Sommer 1970 ging der Stern von Gerd Müller bei der Fußball-WM in Mexiko weltweit auf. Fernsehzuschauer auf allen Kontinenten rieben sich die Augen, weil dieser junge deutsche Spieler mit der Rückennummer 13 wirklich absolut einmalig war. Im Strafraum schien er sich zu einem reißenden Tiger zu verwandeln, den kein Abwehrspieler mehr aufhalten konnte.

    Phänomen und Phantom

    Er schien fast schon übersinnliche Kräfte zu besitzen, denn er stand fast immer dort, wo der Ball am Ende auch hinfiel oder hingespielt wurde. Er verwertete jede Vorlage perfekt, egal, ob sie aus einem Fehler des Gegenspielers resultierte oder vom eigenen Mitspieler kam – und er setzte für den Torerfolg jedes Körperteil ein, wenn es sein musste auch die Hüfte oder den Po.

    „Ein Phänomen“ nannte ihn nun sein früherer Nationalmannschaftskollege Günter Netzer, für die Innenverteidiger seiner Generation war er aber allzu oft auch ein Phantom. Eine kurze Drehung und ein harter Schuss – das war Müllers absolute Spezialität – und der Ball zappelte im Netz. So war es auch am 7. Juli 1974 in München, als der Torjäger im WM-Finale gegen die Niederlande seinen Gegenspieler Ruud Krol verlud und zum 2:1-Siegtreffer einnetzte.

    Vier Jahre zuvor hatte sich Müller bei der WM in Mexiko mit den zehn von ihm erzielten Toren den von der FIFA vergebenen „Goldenen Schuh“ gesichert, damit ist er bis heute der letzte Spieler, dem es gelang, bei einer Endrunde eine zweistellige Zahl an Treffern zu erzielen – einer von den vielen Rekorden, die Müller bis heute hält. Im Vorrundenspiel gegen Peru erzielte er innerhalb von nur neunzehn Minuten einen lupenreinen Hattrick, was vor ihm zuletzt Edmund Conen bei der deutschen WM-Premiere 1934 in Italien im Spiel gegen Belgien gelungen war.

    EM-Sieg im Alleingang

    Die mexikanischen Zuschauer liebten Gerd Müller und verabschiedeten den deutschen Mannschaftsbus mit „Alemana, bum bum“-Rufen. Deutschland schied später im „Jahrhundertspiel“ gegen Italien im Halbfinale, in dem Müller abermals zwei Tore erzielte, mit 3:4 aus, aber nun kannte die ganze Welt den Namen des jungen deutschen Mittelstürmers.

    Zwei Jahre später war es wieder Müller, der Deutschland bei der EM in Belgien quasi im Alleingang zum Titel schoss. Er erzielte erst im Halbfinale gegen das Gastgeberland und dann auch noch im Finale gegen die Sowjetunion jeweils zwei Treffer und holte damit den großen und silberglänzenden Coupe Henri-Delaunay erstmals nach Deutschland.

    Gerd Müller war nun Europameister und hatte mit seinem Verein FC Bayern München den Europapokal, die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal gewonnen. Jetzt fehlte ihm nur noch der WM-Titel, den er sich beim Turnier im eigenen Land holen wollte.

    Keine Party in Orange

    Tatsächlich gelang der DFB-Elf der Einzug in das Finale von München. Im COMPADCT-Spezial Nationalsport Fußball – Herzschlag einer deutschen Leidenschaft heißt es dazu:

    „Als das Endspiel am 7. Juli 1974 im Münchner Olympiastadion angepfiffen wird, lassen die Holländer den Ball traumhaft sicher über 16 Stationen kreisen, bis Johan Cruyff von Uli Hoeneß im Strafraum gefoult wird. Johan Neeskens knallt den Ball zum 1:0 ins Tor. Nun scheint die erwartete Party in orange abzulaufen. Die Spieler um Cruyff begehen jetzt aber den Fehler, im Endspiel nicht nur siegen, sondern auch wieder ihr spielerisches Feuerwerk abbrennen zu wollen. Als Paul Breitner – ebenfalls per Foulelfmeter – in der 26. Minute auf 1:1 stellt, beginnt die Partie stimmungsmäßig zu kippen. Die Entscheidung bringt wie so oft der Killerinstinkt des unvergleichlichen Gerd Müller in der 44. Spielminute. ‚Kleines dickes Müller‛ – so der Kosename, den ihm sein ebenfalls korpulenter ex-Trainer ‚Tschik‛ Cajkovski gegeben hatte, schießt eines seiner typischen Tore. Fernsehreporter Rudi Michel schafft es gerade noch, die Worte ‚Müller‛ und ‚Tor‛ herauszubringen, da zappelt der Ball schon im Netz. Der ‚Bomber der Nation‛ hatte einen seiner unvergleichlichen Drehschüsse angesetzt und dem Oranje-Keeper Jan Jongbloed nicht den Hauch einer Chance gelassen. Die Niederländer sind dann in der zweiten Halbzeit zwar gegen das Tor von Sepp Maier angerannt, ohne jedoch zwingend zu agieren.

    Nach dem Abpfiff im Endspiel gegen die Niederlande fallen sie sich um den Hals: Bundestrainer Helmut Schön und Torjäger Gerd Müller. Foto: picture alliance / dpa

    Weiter heißt es in dem Artikel:

    „Das Finale von München aber gehörte dem Jahrhunderttalent Gerd Müller, der nach diesem Spiel seine Nationalmannschaftskarriere beendete. Bei nur zwei WM-Teilnahmen im Jahr 1970 in Mexiko und im Jahr 1974 in Deutschland erzielte er 14 Tore – Miroslav Klose benötigte vier Turniere, um ihn als bester deutscher WM-Schütze zu überflügeln. Nicht auszudenken, welche Rekorde der gebürtige Nördlinger noch aufgestellt hätte, wenn er nicht schon im Alter von 28 Jahren seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet hätte. Der Triumph von München wurde so auch zur persönlichen Krönung eines der außergewöhnlichsten Mittelstürmer, den es im 20. Jahrhundert gab.“

    Globale Ausstrahlung

    Unter den vielen Ehrungen, die Gerd Müller im Laufe seines Lebens erhalten hat – 1970 wurde er als erster Deutscher überhaupt zu „Europas Fußballer des Jahres“ gewählt – sind zwei besonders bemerkenswert. 2008 wurde das in seiner Heimatstadt Nördlingen gelegene „Stadion im Rieser Sportpark“ in „Gerd-Müller-Stadion“ umbenannt. Und, die vielleicht schönste Ehrung: Der brasilianische Stürmerstar Luis Antonio Correa da Costa, der 1994 mit der Selecao selbst Weltmeister wurde, gab sich in Anlehnung an den deutschen Stürmer den Künstlernamen „Müller“, der auch bei allen großen Turnieren auf seinem Trikot prangte. Das ist ein weiterer Beleg für die globale Ausstrahlung des Spielers, der seinem FC-Bayern München – bis auf einen etwas missglückten Ausflug in die Vereinigten Staaten – lebenslang als Spieler und später dann als Trainer der zweiten Mannschaft die Treue hielt.

    Am vergangenen Tag verstarb Gerd Müller im Alter von 75 Jahren nach langer und schwerer Krankheit in einem Pflegeheim.

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