Verfassungsfrage: Eine neue Studie erläutert den Zusammenhang zwischen der Entstehung des Grundgesetzes und der deutschen Teilung. Erstabdruck in COMPACT 12/2020.

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    _ von Sven Reuth

    Das Jahr 1948 zählt zu den Wendepunkten des Weltgeschehens, nach denen alles anders war: Der Siegeslauf der Volksbefreiungsarmee Maos, der ein Jahr später in der Proklamation der Volksrepublik China mündete, und die Gründung des Staates Israel hatten global weitreichende Folgen. In Europa wiederum zerplatzte der Traum von der Einheit des Kontinents. Der Kalte Krieg begann und erreichte mit der Berlin-Blockade gleich einen gefährlichen Höhepunkt.

    Zuvor hatten die drei westlichen Besatzungsmächte sowie die Benelux-Staaten auf der Londoner Konferenz ihre deutschlandpolitischen Positionen abgestimmt – unter Ausschluss der Sowjetunion. In Moskau fasste man das natürlich als Affront auf. An der Themse fiel damals auch der Beschluss, den Flickenteppich von Trizonesien zu einem Weststaat zu transformieren.

    Dieser hatte vor allem die Funktion, den Kommunismus einzudämmen. Also bekamen die zuvor von den Alliierten ernannten Ministerpräsidenten des französischen, britischen und US-amerikanischen Besatzungsgebiets am 1. Juni 1948 in Frankfurt den historisch einmaligen Auftrag, eine Verfassung für dieses neue Land von Gnaden Washingtons, Londons und Paris ausarbeiten zu lassen.

    Kind des Kalten Krieges

    Der Kölner Jurist Jochen Lober untersucht in seiner gerade in der Werkreihe des Dresdner Tumult-Magazins erschienenen Studie Beschränkt souverän. Die Gründung der Bundesrepublik als «Weststaat» – alliierter Auftrag und deutsche Ausführung die Bedingungen, unter denen sich damals eine verordnete und provisorische Staatlichkeit bilden konnte.

    Der Entwurf des Grundgesetzes wurde in 14 Tagen zusammengeschustert.

    Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass heute «die inhaltliche Steuerung durch die Alliierten» zum «überwiegenden Teil (…) zu schwach», von manchen aber auch als «zu stark» gewichtet werde. Von einer echten verfassunggebenden Versammlung wie 1919 in Weimar konnte natürlich nie die Rede sein. Der Entwurf des Grundgesetzes wurde innerhalb von 14 Tagen auf der Insel Herrenchiemsee zusammengeschustert und dann im Parlamentarischen Rat in Bonn beraten und schließlich beschlossen.

    Unter den gegebenen Umständen – die Abgeordneten genossen nicht einmal eine rudimentäre Immunität, der KPD-Mann Max Reimann wurde sogar verhaftet – könne man den Müttern und Vätern des Grundgesetzes nur «Respekt» für ihre Leistungen zollen, so Lober. Entscheidend bei seiner Entstehung war aber eine Art normative Kraft des Faktischen, die aus dem eskalierenden Konflikt der Siegermächte resultierte.

    In dem Nachwort seiner äußerst lesenswerten Studie stellt Lober fest, dass Konrad Adenauer als Vorsitzender des Parlamentarischen Rates und erster bundesdeutscher Regierungschef «die Wiedererlangung der staatlichen Souveränität» noch als «zentrale Konstante» seiner Politik betrachtete, danach aber keiner seiner Nachfolger mehr «das Niveau seiner Kanzlerschaft» erreichte.

    Alliierter Auftrag und deutsche Ausführung

    Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist nicht denkbar ohne den schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges erkennbaren tiefen Riss zwischen den alliierten Siegermächten in Ost und West. Es waren vor allem die USA, die sehr rasch auf die Schaffung eines »Weststaates« drängten, da sie ihre ideologische und militärische Vorherrschaft in Europa bedroht sahen. Allerdings schwebte den drei westlichen Besatzungsmächten dabei weniger ein »Deutschland als Ganzes« vor als vielmehr ein demokratisches und dezentralisiertes (föderalistisch gegliedertes) Staatsgebilde. 144 Seiten, broschiert. HIER bestellen

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