Mit Distanzeritis schadet man sich selbst – und wird die wilden Hunde vom Verfassungsschutz nicht besänftigen, sondern erst recht scharf machen.
Der folgende Appell erscheint in der Oktoberausgabe von COMPACT.Magazin (am Kiosk ab 29.9.), wurde also schon vor einer Woche verfasst. Seither hat er aber nichts an Berechtigung verloren, ganz im Gegenteil.
Für die Einheit der Opposition
_von Jürgen Elsässer
In der AfD herrscht Nervosität. (…) Insbesondere macht der staatliche Druck der Alternative zu schaffen: Der Verfassungsschutz (VS) hat in zwei Bundesländern die Jugendorganisation unter Beobachtung gestellt, der Thüringer VS brachte mit großem Tamtam dieselbe Maßnahme auch für den dortigen Landesverband unter Björn Höcke ins Spiel. Die Medien flankieren den Vorstoß mit einer Schmutzkampagne.
Da man weder Höcke noch irgendeinem anderen Spitzenpolitiker irgendetwas Konkretes vorwerfen kann – zuletzt sind Volksverhetzungsklagen gegen André Poggenburg und Jens Maier vor Gericht abgeblitzt –, wird der Scheiterhaufen mit Kleinholz gefüttert: In Entenhausen gab es einen Facebook-Post eines Lokalaktivisten, in Kleinkleckersdorf sah man ein Mitglied auf einer Demonstration neben einem tätowierten Skinhead, in einer privaten Whatsapp-Gruppe hat einer „Neger“ gesagt.
Trotzdem hat der Bundesvorstand dem Druck Mitte September nachgegeben und „allen Mitgliedern dringend empfohlen“, künftig nur noch an Demonstrationen teilzunehmen, die ausschließlich von der Partei selbst organisiert werden. Damit legt die Alternative die Axt an ihre eigenen Wurzeln: Der bisher größte Protest in diesem Jahr, der Trauermarsch am 1. September in Chemnitz mit 10.000 Teilnehmern, wäre ohne die Unterstützung von Pegida und Pro Chemnitz unmöglich gewesen. Das Bündnis hat sich bewährt, Nazis und Provokateure wurden zu diesem Anlass von Ordnern konsequent aus dem Zug gewiesen.
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Mittlerweile hat der sächsische Landesvorsitzende dem Trennungsbefehl der Bundesspitze widersprochen, man will weiter mit der Dresdner Bürgerbewegung zusammenarbeiten. Aus gutem Grund: Während die Partei westlich der Elbe in den Umfragen schwächelt, hat sie auf dem Gebiet der früheren DDR zum Höhenflug angesetzt. Seit Mitte September rangiert die Alternative in allen neuen Bundesländern mit 25 und mehr Prozent auf Platz 1, noch vor der CDU. Mit anderen Worten: Der gemeinsame Straßenprotest in der früheren Karl-Marx-Stadt und anderswo hat der Partei genützt. Und dass die AfD bereits bei der Bundestagswahl im September in Sachsen die Nase ganz vorne hatte, dürfte ebenfalls mit dem Rückenwind durch Pegida zu tun haben, die seit knapp vier Jahren Woche für Woche Tausende mobilisiert. Wer denkt, das sei ein regionales Phänomen, möge nach Cottbus schauen: Dort kletterten die Blauen mit über 30 Prozent schon zu Jahresanfang an die Spitze, parallel zu den Massenprotesten der Bürgerbewegung Zukunft Heimat.
Die Distanzeritis, die manche Parteihonoratioren infiziert hat, führt mittlerweile bei Basisaktivisten zu Überlegungen, bei den Landtagswahlen 2019 im Osten mit einer eigenen Liste anzutreten. Das kann aber bestenfalls zu einer Aufspaltung des Wählerpotentials führen. Was soll gewonnen sein, wenn es statt einer 20-Prozent-Partei zwei davon mit zehn Prozent gibt?
Die Aufgabe, der sich alle Oppositionellen stellen müssen, ist nicht die Aufteilung des kleinen Kuchens, sondern die Kontrolle der Bäckerei – also die Erlangung der Mehrheit. Dafür ist das feste Bündnis zwischen parlamentarischem und außerparlamentarischem Flügel eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung. Hinzu kommen muss eine weitere Schiene, die die vielen Unentschlossenen und die Gutwilligen aus anderen Parteien mitnimmt: überparteiliche Volksbegehren wie sie in allen Landesverfassungen vorgesehen sind. Ein Probelauf wurde jetzt in Bayern gestartet, wo mit einem solchen plebiszitären Vorstoß ein Grenzschutz-Gesetz durchgesetzt werden soll. Da können alle mitmachen, vom CSU-Mütterlein über den AfD-Bauern bis zum identitären Studenten. Nur die Einigkeit macht uns stark, oder?