Über die Internierungslager, die die sowjetische Besatzungsmacht gleich nach der sogenannten Befreiung errichtete, lesen Sie mehr in COMPACT-Geschichte „Verbrechen an Deutschen. Bombenterror, Vertreibung, Massenvergewaltigungen“. Hier ein Auszug.

    Unglaublich, aber wahr: Nach der deutschen Kapitulation wurden in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) NS-Konzentrationslager weiter genutzt, so Buchenwald und Sachsenhausen. Wie der Historiker Jan von Flocken und der Publizist Michael Klonovsky in ihrem Buch Stalins Lager in Deutschland 1945–1950 anmerken, hatte dort «nur ein relativ geringer Prozentsatz der Internierten eine aktive nazistische Vergangenheit». Weiter schreiben sie: «Tausende Jugendliche wurden unschuldig in die NKWD-Lager gebracht, wo viele von ihnen elend umkamen. (…) Unter den Gefangenen befanden sich Kinder im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren, die als ”Wehrwolf-Verdächtige” galten. (…) Auch Schwangere wurden in die Lager eingeliefert und brachten dort ihre Kinder zur Welt.»

    Von Flocken und Klonovsky fahren fort: «Das Unrechtssystem verselbständigte sich so sehr, dass sich sogar Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Diktatur unversehens in sowjetischen Lagern wiederfanden. Zu ihnen gehörten Männer des 20. Juli 1944 wie Justus Delbrück und Ulrich Freiherr von Sell, die in Jamlitz starben. (Das Lager Jamlitz bei Lieberose war ursprünglich ein SS-Straflager.) Horst von Einsiedel, Angehöriger des Kreisauer Kreises, kam 1946 in Sachsenhausen ums Leben. Herzog Joachim Ernst von Anhalt, den die Nazis im KZ Dachau gefangen hielten, starb 1947 im NKWD-Lager Buchenwald. (…) Zu den Insassen des Lagers Fünfeichen gehörte auch der schon von den Nazis verfolgte Schriftsteller und Schliemann-Forscher Heinrich Alexander Stoll aus Potsdam.»

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    Viele entschlossene Hitler-Gegner waren allerdings schon beim Einmarsch der Roten Armee ermor- det worden. Der britische Militärhistoriker Antony Beevor nennt in seinem Werk Berlin 1945 das Bespiel des Widerständlers Eberhard von Braunschweig: «Er nahm an, dass er wenig zu befürchten hatte, erwartete mit seiner Familie die Ankunft der Roten Armee in ihrem Gutshaus in Lübzow bei Karzin. Aber sein Ruf und seine zahlreichen Verhaftungen durch die Gestapo nutzten ihm wenig. Die ganze Familie wurde hinausgeführt und erschossen.»

    Sozialisten hinter Stacheldraht

    In seinem Buch Lager des Grauens. Sowjetische KZs in der DDR nach 1945 schreibt der Publizist und frühere schleswig-holsteinische CDU-Land tagsabgeordnete Uwe Greve: «Den schärfsten Terror richteten die Sowjets und ihre kommunistischen Handlanger in der Sowjetzone gegen die Sozialdemokratie, ihre Funktionäre und Mitglieder. Wider- standskämpfer gegen Hitler, die erst im Mai 1945 aus dem KZ befreit worden waren, wurden bereits im gleichen Jahre wieder in die gleichen Lager und Zuchthäuser zurückgebracht. (…) Selbst vor den schon unter Zwang gewählten sozialdemokratischen Delegierten zum ”Vereinigungsparteitag” machte dieser Terror nicht Halt; einige von ihnen wurden vor der Abreise, andere im Zug oder sogar noch kurz vor Erreichen des Parteitages festgenommen.»

    Helmut Herles bemerkte 1987 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: «Es leben Sozialdemokraten, die in Buchenwald gefangen waren, weil sie Sozialdemokraten waren, und die in der Sowjetischen Besatzungszone wieder im gleichen Lager eingekerkert wurden, weil sie sich nicht in die SED pressen lassen, sondern Sozialdemokraten bleiben wollten. (…) Es ist eine Schizophrenie der Geschichte, dass in Buchenwald auch Kommunisten saßen, die dort schon vor 1945 waren und nun wieder dort eingesperrt wurden.»

    Darüber schreiben auch von Flocken und Klonovsky: «Selbst Kommunisten, die sich unter ihrem Gesellschaftsideal etwas anderes vorgestellt hatten als das, was die Sowjets und ihre deutschen Helfershelfer praktizierten oder zumindest stillschweigend duldeten, gehörten zu den Lagerhäftlingen.» Dazu zitieren sie aus einem Bericht von Hans-Peter Range über Fünfeichen: «Ein Barackenältester im Nordlager war Bürgermeister einer Stadt in Vor- pommern geworden, weil die Russen ihn als Mitglied der KPD einsetzten; sie vergaßen nur, dass der Mann zwar überzeugter Kommunist, nicht aber Verteidiger russischer krimineller Übergriffe auf seine Landsleute war; so kam er als Häftling nach Fünfeichen. Und auch ein Stadtrat aus Ost-Berlin, der als uralter Kommunist beim russischen Stadtkommandanten gegen die zahllosen Vergewaltigungen deutscher Frauen durch russische Soldaten protes- tiert hatte, erschien eines Tages im KZ Fünfeichen als Häftling des NKWD.» Es handelte sich dabei um Ewald Pieck, Bruder des späteren DDR-Staatspräsidenten Wilhelm Pieck.

    Bezeichnend ist auch folgendes Schicksal: Am 16. September 1949 kam im Sowjet-Lager Sachsenhausen Emil Unfried ums Leben. Er gehörte zu den Gründervätern der KPD und galt in Weimarer Zeit als rechte Hand des kommunistischen Medienchefs Willi Münzenberg, der ihm die Leitung der Filmabteilung seines Propaganda-Apparates übertrug. Die NS-Jahre überstand Unfried unbeschadet als Filmkaufmann. 1945 schloss er sich wieder der KPD an. Noch Ende jenes Jahres aber erfolgte seine Verhaftung durch die sowjetische Besatzungsmacht.

    Selbst Kommunisten wurden eingesperrt.

    Doch nicht nur Verfolgte des Nazi-Regimes wurden von den Sowjets in weiterbetriebenen KZs eingesperrt. In den Internierungslagern des NKWD befanden sich auch Personen, die unter Hitler aus «rassischen» Gründen um ihr Leben fürchten mussten. «Einige von ihnen überlebten den nationalsozialistischen Terror, nicht aber die kommunistische Verfolgung», schrieb Karl Wilhelm Fricke 1979 in der Deutschen Zeitung. Ein Beispiel ist Georg Krausz, einst roter Räterepublikaner in Ungarn, dann Redakteur des KPD-Zentralorgans Rote Fahne. Unter Hitler saß er im KZ Buchenwald, in der SBZ kam er ins KZ Mühlberg. Im Gegensatz zu anderen Betroffenen jüdischer Herkunft hatte er jedoch Glück: 1948 erfolgte seine Freilassung; später wurde er Chef des DDR-Journalistenverbandes.

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    Hier das Inhaltsverzeichnis von COMPACT-Geschichte „Verbrechen an Deutschen. Bombenterror, Vertreibung, Massenvergewaltigungen“.

    Zwischenkriegszeit

    Das Leid im Osten: Ethnische Säuberungen in Polen
    Die Rache Frankreichs: Deutschfeindlichkeit 1918–1923

    Terror aus der Luft

    Bomben auf die «bösartigen Hunnen»: Angloamerikanische Luftkriegsstrategie
    Im Feuersturm: Deutsche Städte im Flammeninferno
    Die Dresden-Lügen: Das kalte Herunterrechnen der Opferzahlen
    Als Linke noch um Deutsche trauerten: Ulrike Meinhofs Dresden-Essay

    Massenvergewaltigungen

    «Komm, Frau!»: Sexuelle Verbrechen durch Rotarmisten
    Ehrenburg und die Vergewaltigungen: Eine kritische Quellenanalyse
    Kinder, Kranke, Tote: Das Leiden der Schwächsten
    Die geschändeten «Frolleins»: Sexuelle Verbrechen durch Westalliierte

    Vertreibungsverbrechen

    Flucht und Vertreibung: Eine Analyse aus völkerrechtlicher Sicht
    «Sadistische Akte wiederholten sich immer wieder»: Augenzeugenbericht einer Vertriebenen
    Sudetendeutsches Requiem: Vertreibung aus der angestammten Heimat

    Internierungslager

    Der Tod sprach polnisch: Die Lager östlich von Oder und Neiße
    Das stille Sterben unter dem Roten Stern: Die Lager in der sowjetischen Zone
    Tod auf den Rheinwiesen: Die Hungerlager der US-Armee

    Neue Hoffnung

    Neubeginn aus dem Nichts: Aufbauleistungen der Vertriebenen im Westen
    Die Glut in der Asche: Deutsche Renaissance in Osteuropa

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