Heute jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag von Joseph Beuys, der die Wunden moderner Zivilisation erforschte. Seine Therapie: Direkte Demokratie und eine spirituelle Erneuerung ganz Eurasiens. Diese Hommage erschien zuerst in COMPACT 03/2018. Einen Beitrag, der sich mit der nun wieder aufgeflammten Debatte um Beuys‘ «völkische» Ansichten auseinandersetzt, finden Sie in der aktuellen Ausgabe von COMPACT. Hier mehr erfahren.

    Nach jahrzehntelanger Mumifizierung entsteht neues Interesse an Joseph Beuys, dem Nonkonformisten mit Filzhut, Kippe und Anglerweste. Der Absturz sozialer Temperaturen in Westeuropa lässt den Reformkünstler – und Kunstreformer – nicht länger im Museum ruhen. Filme wie Zeige deine Wunde (2015) oder Beuys (2017) vermittelten zuletzt seine Visionen einer neuen Generation. Sie demonstrieren, dass die Zeit des einst Verlachten jetzt gekommen ist, da die Krisen unserer Gegenwart ein Verständnis seiner Werke ermöglicht.

    Die Gegenwart muss alternativlos sein – wer widerspricht, kann nur dem braunen Sumpf entstammen.

    Das spüren auch jene, die zur gezielten Abwehr der Beuys-Renaissance aufmarschieren: Fachzeitschriften wie Monopol oder sein Biograf Hans Peter Riegel versuchen, den Kunstprofessor braun einzufärben, ihn zum «Völkischen», zum Beinah-Nazi zu stilisieren. Natürlich posaunen auch Spiegel und Zeit die Legende vom rassistischen Kunst-Guru in die Ohren ihrer Leserschaft. Die unausgesprochene Warnung hinter alldem: Vorsicht, Ansteckungsgefahr!

    Da aber selbst fanatische Ankläger keine brauchbaren Zitate des Beschuldigten finden, läuft die Nazifizierung über indirekte Ableitung. So war der Fluxus-Künstler undogmatischer Anhänger Rudolf Steiners, jenes Gründers der Anthroposophie, dem man in jüngster Zeit ebenfalls «Rassismus» unterstellt, um sein Gesamtwerk zu diskreditieren. (Dass niederländische Historiker ihn schon 2018 von diesem Vorwurf freisprachen, interessiert freilich niemanden…)

    Der Zweck dieses Rufmords: Die Gegenwart muss alternativlos sein – es vor allem auch bleiben. Wer widerspricht, wer andere Lebensformen vorschlägt, kann nur dem braunen Sumpf entstammen.

    Die 1969 entstandene Installation «The pack (das Rudel)». Foto: James Nash, CC BY-SA 2.0, flickr.com

    Im Falle von Beuys verläuft die sogenannte Argumentation so: Der Künstler habe als Steiner-Adept «selbstverständlich» auch dessen Rassenlehre inhaliert. Geht ja gar nicht anders… Unbelehrbare erhalten noch den Hinweis, dass die Ehefrau des Meisters, Eva-Maria, eine Tochter des Zoologen Hermann Wurmbach sei. Der war SA-Mitglied gewesen und hatte 1940 einen Aufsatz über Rassenungleichheit, Eugenik und Sterilisierung verfasst.

    Der Text ist in der Tat widerlich, aber was hat Beuys damit zu tun? Ganz einfach: Der Bräutigam pflegte zu seinem Schwiegervater ein gutes Verhältnis und las in dessen Standardwerken. Wenn das kein Hinweis auf geistige Übereinstimmung ist! Man merkt: Das schwache Argument der Kontaktschuld muss das Fehlen rassistischer Äußerungen des Künstlers kaschieren.

    Der dreigliedrige Staat

    Gipfel der Ironie: Das, womit Beuys einst das rechtskonservative Establishment provozierte, bringt heute Linksliberale auf die Barrikaden: Beispielsweise stoßen die vom Fett- und Filz-Artisten zu Beginn der 1970er propagierten Volksabstimmungen heute auf ebenso viel Widerstand wie zu seinen Lebzeiten. Erst im vergangenen Jahr warnte ein Journalist in einem Artikel über Beuys vor der direkten Demokratie. Begründung: Die sei im Rahmen eines Paradigmenwechsels heimlich nach «rechts» gewandert, also nicht mehr «links».

    Dabei war Beuys’ Forderung nach plebiszitärer Mitbestimmung für alle Bürger nur Konsequenz seiner berühmten Feststellung, dass jeder Mensch ein Künstler sei. Damit meinte er natürlich nicht, dass in allen Individuen ein Bildhauer, Maler oder Dichter schlummere. Aber jede Person besitze Kreativität, aus der heraus sämtliche Bereiche des Lebens sich in «Kunst», in eine «soziale Plastik» verwandeln ließen.

    Deshalb stand Beuys gegen eine Ökonomie, in der Wenige zum Zwecke ihrer Gewinnmaximierung den Ton angeben, und forderte eine echte «Volkswirtschaft», deren größtes Kapital die menschliche Kreativität sei.

    Beuys forderte eine echte «Volkswirtschaft», deren größtes Kapital die menschliche Kreativität sei.

    Seine Staatsidee beruht auf Steiners Modell der Dreigliederung: 1. Kultur (Kunst, Wissenschaft, Religion), 2. Recht (Exekutive, Legislative, Judikative) und 3. Wirtschaft (Produktion, Zirkulation, Konsum). Die Dreigliederung des sozialen Organismus entspreche der Trinität des Individuums. Es zur Einheit zu führen, sei Aufgabe des einzelnen Menschen wie des Staates, woraus sich zwingend die Forderung nach Beteiligung aller, nach direkter Demokratie, ergebe.

    Eine solche Harmonisierung bedürfe freilich eines hohen Maßes an Spiritualität, die für Beuys ihre Verkörperung in Jesus Christus fand. Schon in früheren Jahren hatte er Weihwasserbecken oder ein Filz-Kreuz hergestellt. Später erklärte er, der erweiterte Kunstbegriff sei sein Beitrag zu einem Christusbild unserer Zeit. Durch Arbeit an der «sozialen Plastik» könne jeder Mensch zum Heiland werden.

    Fett und Filz

    Beuys 1982 mit Petra Kelly auf dem Grünen-Parteitag in Hagen. Foto: picture-alliance / dpa

    Beuys Kunstperformances sind nicht nur von Richard Wagners Vision des Gesamtkunstwerkes und Elementen des Schamanismus durchdrungen, auch seine bekanntesten Materialien, Fett und Filz, verweisen auf die spirituelle Dimension von Mensch und Welt.

    Dazu eine kurze Anekdote, die der Künstler oft zum Besten gab: 1944 wurde er als junger Bordfunker mit seiner Stuka von der russischen Flak abgeschossen. Die Maschine stürzte auf die Krim und zerschmetterte, Beuys lag unter Trümmern begraben. Nach Tagen entdeckten ihn Tataren, befreiten ihn aus dem Wrack und brachten ihn in ein Jurtezelt: «Sie rieben meinen Körper mit Fett ein, damit die Wärme zurückkehrt und wickelten mich in Filz ein, weil Filz die Wärme hält.»

    Nach heutigem Forschungsstand muss man diese Erzählung zwar ins Reich der Legende verweisen, aber sie illustriert die Wärmesymbolik, die für Beuys zentral war: Fett und Filz sowie natürliche Heilmethoden wie die Homöopathie stehen als Energie- und Überlebensspender für die lichte, geistige Welt als Gegensatz zur sozialen und ökonomischen Eiszeit der Gegenwart.

    Die eurasische Utopie

    Die Tataren-Episode verweist zudem auf Beuys’ eurasische Vision, einem weiteren Fundament seines politischen Denkens. Während 1968 die Studenten eine Revolution auf marxistischer Grundlage forderten, eine Verbesserung der Existenz durch ökonomische Veränderung, entwickelte der Künstler seine Eurasien-Performance-Reihe.

    Darin thematisierte er nicht nur die gewaltsame Konfrontation der Blöcke, sondern richtete – im Unterschied zu den von angelsächsischen Hippies beeinflussten Linken – den Blick in den spirituellen Osten. Im Mai 1967 rief Beuys den «freien demokratischen sozialistischen Staat Eurasia» aus, im Juni folgte die erste Aufführung von Eurasienstab in Wien: Zu Orgelmusik und durch liturgische Bewegungen versuchte der Performer, mit einem Kupferstab sowie Fett und Licht den Energietransfer in alle vier Himmelsrichtungen zu vollziehen – der Ritus einer spirituellen Verteilungsgerechtigkeit.

    1980 war Beuys eines der prominentesten Gründungsmitglieder der Grünen. Die Partei sollte dem Düsseldorfer Kunstprofessor als Vehikel dienen, um seine Fundamentalkritik an der Gesellschaft und seine Erneuerungsvorschläge im Bundestag vorzutragen. Aber schon bald wurde ihm klar, wie aussichtslos das war: Zwar nutzten die Ökopaxe den weltberühmten Künstler als Aushängeschild, allerdings nur kurzfristig. Früh vom Streben nach Teilhabe an der Macht beherrscht, entfernten sie ihn und andere unliebsame Kandidaten von aussichtsreichen Listenplätzen.

    Grüne? Nein Danke! In COMPACT-Spezial Nie wieder Grüne: Porträt einer gefährlichen Partei entlarven wir die Politik von Baerbock & Co. Lesen Sie, wie sich die Grünen gegen Deutschland und für mehr Zuwanderung einsetzen, wie sie in Olivgrün als Kriegstreiber auftreten und welche anderen dunklen Flecken es auf der alles andere als  weißen Weste der Öko-Partei gibt. Die Hauptthemen dieser entlarvenden Sonderausgabe: Rothfront marschiert: Die Grünen auf dem Weg zur Macht – Abendland wird abgebrannt: Die Ideologie von Multikulti und Volkszerstörung – Nie wieder Krieg ohne uns: Make Love and War – Partei der Päderasten: Die Revolution frisst unsere Kinder. In dem Kapitel «Es war einmal» zeigen wir aber auch auf, dass die Grünen in ihren Anfangstagen durchaus positive Aspekte in die Politik einbrachten: Mit Patrioten, Anthroposophen und Umweltschützern wie Herbert Gruhl, Baldur Springmann,  Joseph Beuys, Rudi Dutschke und Petra Kelly setzten sie sich für das souveräne und neutrale Deutschland ein, von dem sie heute nichts mehr wissen wollen. Gönnen Sie sich diesen Fakten-Hammer zu den Grünen. Hier bestellen.

    Am Ende siegte das Mittelmaß in Gestalt von Otto Schily und Antje Vollmer. Schily erinnerte sich später an seine «leichten» Vorbehalte, «ob man mit ihm auf Dauer Erfolg haben könnte, oder ob uns sein Engagement in eine Situation bringen würde, in der wir zwar ein paar Stimmen gewinnen könnten, aber nicht in der Größenordnung, die uns politisches Gewicht verleihen würde». Beuys war durch diese Zurückweisung tief getroffen, zog sich zunehmend zurück. Drei Jahre später war er tot.

    Mehr zu Leben und Werk von Joseph Beuys lesen Sie in unserer Hommage anlässlich seines 100. Geburtstages in der aktuellen Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema „Impfstreik: Warum Millionen keine Spritze wollen“. Zur Bestellung klicken Sie hier oder auf das Banner unten.

    Kommentare sind deaktiviert.